Fragmente: Partials 2 (German Edition)

ein Stückchen und blieb liegen. Über den Link spürte sie, wie die Angreifer aufmerksam wurden und angestrengt lauschten. Gleich darauf folgte eine taktische Warnung: DAS IST EIN TRICK . Wütend über ihre eigene Naivität schüttelte Kira den Kopf. Dann fiel ihr etwas ein. Sie zog die zweite Patrone aus der Tasche und warf sie nicht sonderlich fest gegen das Regal, das ihr am nächsten stand. Die Hülse prallte ab und fiel zu Boden. Wieder wurde der Link aktiv, und die Botschaft war die gleiche: ICH HABE EIN GERÄUSCH GEHÖRT. ES IST EIN TRICK.
    Gleich darauf entfernten sich Schritte von ihr. Ihr doppelter Trick hatte funktioniert.
    Sie wandte sich zur Seite und spähte an dem Regal vorbei, das sie als Deckung benutzte. Etwa zehn Reihen weiter hinten hatte ein Regal die falsche Form. Es war klobig und abgerundet. Sie nahm an, dass einer der Angreifer mit seinem Knie oder Ellbogen die Silhouette des Rechnerturms veränderte. Vorsichtshalber legte sie sich auf den Boden, hielt die Taschenlampe bereit und beobachtete das verformte Regal. Es bewegte sich, wuchs heran, und dann löste sich ein annähernd menschlicher Umriss aus dem Schatten, als der Partial seine Deckung verließ. Er entfernte sich von ihr und hatte eine schmale Pistole angelegt. Kira stand auf und eilte ihm hinterher, wobei sie sehr vorsichtig auftrat, damit ihre nackten Füße keine Geräusche erzeugten. Er bewegte sich zwei Reihen weiter, sie folgte ihm. Wenn sie so weitermachte, blieb sie in Schussweite. Allerdings war noch ein zweiter Partial unterwegs, dessen Position sie nicht kannte. Immer wenn sie einen Quergang kreuzte, lief sie Gefahr, entdeckt zu werden.
    Beim nächsten Schritt berührte ihr Fuß etwas, und sie hielt inne, blickte hinab und entdeckte dünne Linien im Dunkeln, die sich ringelten wie winzige Schlangen. Sie fluchte lautlos. Das ist eine der Reihen, die wir vom Stromnetz getrennt haben. Auf dem Boden liegen überall Kabel. Sie verlagerte den Fuß und fand eine Stelle, wo sie sicher auftreten konnte. Vor ihr lag ein Irrgarten verschlungener Leitungen. Bei jedem Schritt musste sie aufpassen und sich neu orientieren. Hier war ein Kabel, dort schlängelte sich das nächste. Jeder Schritt schien eine Stunde lang zu dauern.
    Der Partial, dem sie folgte, entfernte sich. Kira zog die dritte Patrone aus der Tasche und warf sie an dem Partial vorbei gegen die Wand. Er hielt sofort inne, und sie schlich weiter, während sie über den Link den Austausch abhörte: ICH HABE EIN GERÄUSCH GEHÖRT. ES IST EIN TRICK. IST ES WIRKLICH EIN TRICK? Die Antwort fand er eine Sekunde zu spät heraus. Er drehte sich um und wollte auf sie schießen, doch sie hatte ihn schon erreicht, stieß die Halbautomatik in den Spalt zwischen Helm und Brustpanzerung und drückte ab. Er stürzte auf den Boden, und aus der Pfeilpistole löste sich ein Schuss, der nur die Decke traf. Sofort spürte sie die Nachricht über den Link: TOD ! Rasche Schritte näherten sich. Sie wich seitlich aus, ließ die Taschenlampe fallen, riss das Magazin vom Gürtel und nahm rasch die Patronen heraus, ohne auf den Lärm zu achten. Dann warf sie die ganze Handvoll in die Luft und schmiegte sich mit dem Rücken an einen Computerturm. Als die Patronen klirrend und klappernd auf den Boden fielen und ihre Bewegungen übertönten, rannte sie los. Gleichzeitig empfing sie die entmutigten Gedanken ihres letzten Verfolgers: SOLDAT GETÖTET. ZIELPERSON VERLOREN. ÄRGER.
    Kira hatte die Taschenlampe verloren, und da sie keine Patronen zum Werfen mehr hatte, waren ihr auch die Tricks ausgegangen. Sie durchwühlte die Taschen nach einem geeigneten Gegenstand, was auch immer …
    HABE SIE GEFUNDEN. TOD.
    Kira knirschte mit den Zähnen. Wie hatte er sie gefunden? Sie sandte keine Linkdaten aus. Der erste Gegner war nur zwei Schritte von ihr entfernt gewesen und hatte sie nicht bemerkt.
    TOD.
    Sie spürte es abermals, dieses überwältigende Gefühl des Todes, und fluchte lautlos. Ich bin es selbst, dachte sie. Die Linkdaten bestehen aus Pheromonen, aus winzigen Partikeln, und ich habe dicht neben dem Gegner gestanden, als er eine ganze Wolke davon ausstieß. Die Todespartikel kleben an mir, ich ziehe einen Schweif hinter mir her, und der zweite kann mich jetzt verfolgen. Sie betrachtete die Pistole, die zu klein war, um im direkten Kampf mit einem Partial etwas auszurichten. Sonst hatte sie nichts. Hätte ich nur nicht die Taschenlampe verloren!
    Die Stiefel des Partials klickten auf dem Boden,