Fragmente: Partials 2 (German Edition)
sie hilflos wie ein kleines Kind. Wie hatte es sich angefühlt, als Samm und Heron in Afas Gebäude eingedrungen waren? Welche Emotionen hatte sie aufgefangen? Was sie hier spürte, schien ausschließlich von Samm und Heron zu kommen, nicht von den Angreifern. Das bedeutete, dass die Angreifer entweder Menschen oder Partials mit Gasmasken waren – eine verbreitete Taktik, wenn die Partials untereinander kämpften. Kira blieb ruhig, lauschte und versuchte herauszufinden, wo sich die verschiedenen Personen befanden. Der Generator war abgeschaltet oder sogar zerstört worden, also musste sich einer der Angreifer dort aufhalten. Afas Bildschirm war geborsten, also musste ein anderer freies Schussfeld darauf gehabt haben. Höchstwahrscheinlich befand sich einer zwei Reihen rechts von ihr, aber sie konnte nicht sagen, ob er vor ihr oder hinter ihr stand. War auch Afa angeschossen worden? Über den Link empfing sie so etwas wie den Gedanken an einen verwundeten Kameraden. Sie wusste aber nicht, wer es war und wo er war.
Links von ihr bewegte sich jemand – Freund oder Feind? Sie fand es nicht heraus und lauschte auf die Schritte, um zu erkennen, in welche Richtung der Unbekannte sich bewegte. Dann hörte sie das unverkennbare Schmatzen von Wasser. Ein nasser Stiefel – aber wem gehörte er? Sofern die Angreifer nicht über das Dach eingedrungen waren, mussten ihre Stiefel genauso nass sein wie die von Samm und Heron. Vielleicht sogar noch nasser, denn die Angreifer hatten sich erst vor Kurzem durch das Wasser bewegt. Dies konnte ein Hinweis sein, aber ohne genauere Kenntnis konnte Kira nichts damit anfangen. Sie griff nach den eigenen Stiefeln und zog sie vorsichtig und geräuschlos von den Füßen. Dann waren die nassen Socken an der Reihe, bis sie barfuß war. Nun war sie die Einzige im Raum, die beim Gehen nicht platschte und schmatzte.
Wieder schossen ihr Linkdaten durch den Kopf – SIE HABEN MICH ENTDECKT –, woraufhin einige Sekunden später eine weitere Salve folgte. Gleichzeitig war noch ein anderes Geräusch zu hören, das ein Pistolenschuss sein mochte. Kira konnte es nicht einordnen. Jedenfalls hörte das Gewehrfeuer auf, und ein Körper stürzte schwer zu Boden. Kira schätzte, dass es etwa drei Meter links hinter ihr war. Auf einmal hatte sie das widersprüchliche Gefühl, zugleich schläfrig und hellwach zu sein, und interpretierte dies als weitere Botschaft über den Link: Einer ihrer Gefährten war unter Drogen gesetzt oder betäubt worden. Der einzelne Schuss, den sie nicht hatte einordnen können, war ein Pfeil mit einem Betäubungsmittel gewesen.
Also wollen sie uns nicht umbringen, überlegte Kira. Wer will uns gefangen nehmen? Doktor Morgan? Aber woher weiß sie, dass wir hier sind?
Kira stand auf und schmiegte sich dicht an ein Computerregal. Dann blickte sie die Reihe, in der sie stand, hinauf und hinunter, und als sie nichts entdeckte, huschte sie so leise wie möglich zur nächsten Reihe. Ihre nackten Füße verursachten kein Geräusch auf dem Betonboden, doch auf einmal spürte sie kalte Tropfen an den Beinen. Verdutzt blickte sie nach unten. Die Stiefel hatte sie zwar ausgezogen, aber die Hose war von dem Spaziergang im Wasser immer noch nass und hinterließ eine feuchte Spur, die den Angreifern zeigte, wo sie war. Wieder hörte sie ein Schmatzen, diesmal rechts hinter sich. Der Angreifer näherte sich. Sie bückte sich und wrang die Hose aus, verdrehte die Beine, um so viel Wasser wie möglich loszuwerden. Solange sie die Hose nicht auszog, konnte sie jedoch nicht viel ausrichten. Das Schmatzen näherte sich, es war höchstens noch drei Reihen entfernt. Sie knirschte mit den Zähnen, wrang das zweite Hosenbein aus und befreite sich von dem Wasser, so gut es ging. Ein weiteres Schmatzen. Sie richtete sich wieder auf. Die Hose klebte kalt an den Beinen, tropfte aber nicht mehr. Lautlos zog sie sich in die nächste Reihe zurück. Nun hinterließ sie keine Spur mehr. Sie arbeitete sich eine und noch eine Reihe weiter und wich seitlich aus, um sich so weit wie nur irgend möglich von dem Angreifer zu entfernen und sich zudem in die Richtung zu bewegen, mit der er am wenigsten rechnete.
Abermals brach ein Höllenlärm los. Stimmen riefen durcheinander, automatische Waffen feuerten, Kugeln sausten durch die Computerregale. Dieses Mal sanken zwei Kämpfer in sich zusammen, und wieder spürte Kira die Linkdaten wie eine flüchtige Ahnung: Schlaf, Schmerzen, Sieg. Ihr letzter Gefährte war
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