Fragmente: Partials 2 (German Edition)
war es Milch – wir hatten Schachteln voller Müsli im Haus, und das konnte ich mir mit fünf Jahren zubereiten. Deshalb aß ich jeden Tag mehrmals Müsli, und es dauerte nicht lange, bis die Milch alle war. Anschließend probierte ich etwas anderes, Erdnussbutter und Marmelade auf Tortillas und so weiter. Ich konnte nicht einmal mit einem Dosenöffner umgehen.« Er lachte und rieb sich eine Träne aus dem Augenwinkel. »Wie auch immer, ich verließ das Haus auf der Suche nach Milch. Ich weiß nicht, wo ich überhaupt etwas finden wollte. Die ganze Welt war totenstill. Hier und dort brannte es, ein Auto oder ein Drugstore, aber ich wohnte damals in Albuquerque, wo es nicht viele Bäume gab, über die sich das Feuer hätte weiter ausbreiten können. Ein paar Hydranten liefen unbeaufsichtigt, und das Wasser strömte in den Rinnstein. Aber nirgends waren Menschen zu sehen. Ich lief den ganzen Weg bis zu dem nächsten Laden. Es war ein kleiner Kramladen, der meinem Onkel gehörte und nur ein paar Häuserblocks entfernt lag. Doch der Laden war geschlossen, und ich kam nicht hinein. Deshalb ging ich weiter und immer weiter, aber die ganze Stadt war verlassen. Mir begegnete kein einziger lebender Mensch. Schließlich fand ich einen Walmart. Wenn du in einer Stadt weit genug läufst, stößt du früher oder später zwangsläufig auf einen Walmart. Drinnen suchte ich nach Milch und stieß auf einen Mann, den ich noch nie vorher gesehen hatte. Er lud gerade Wasserflaschen in eine Schubkarre. Er sah mich an, und ich sah ihn an, und dann hob er mich in die Schubkarre und gab mir etwas Frühstücksfleisch. Hinten im Supermarkt entdeckte er sogar haltbare Milch, die noch nicht verdorben war. Ich aß eine Schale Müsli, während er einsammelte, was er brauchte. Er hieß Tray, den Nachnamen weiß ich nicht. Tray schleppte mich bis Oklahoma City mit, wo wir endlich auf die Nationalgarde stießen. Dort verlor ich ihn aus den Augen, und ehrlich gesagt weiß ich nicht einmal, ob er es bis hierher geschafft hat. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich in den letzten Jahren kaum noch an ihn gedacht habe. Ich nehme an, er haust irgendwo in der Wildnis, falls er noch lebt. Vielleicht fischt er oder betreibt eine Farm. Hätte er in der Stadt gelebt, dann wäre ich ihm dort begegnet. Ich weiß auch nicht, warum ich dir die ganze Geschichte erzähle – abgesehen davon, dass genau dies die Leute sind, die wir meiner Meinung nach brauchen. Leute, die so sind wie wir. Die Menschen konnten nur überleben, weil sie zusammengearbeitet und einander geholfen haben, und dadurch wurden RM und der Zusammenbruch zum gründlichsten natürlichen Selektionsprozess aller Zeiten. Ich weiß nicht, wie Nandita dich gefunden hat, aber sie hat dich aufgelesen und gerettet und hierhergebracht. Nun wird sie vermisst, und ich will die Hintergründe herausbekommen. Was wusste sie? Was hat sie getan? Warum war sie hier? Warum wird sie von den Partials gesucht?«
»Sie hat mich in keinem Walmart gefunden«, sagte Ariel durch das Fenster. Marcus hatte sich in seinen Tagträumen verloren, aus denen Ariel ihn nun jäh herausriss. Der Vorhang war zugezogen, ihre Stimme klang gedämpft, doch er konnte sie gut verstehen. »Sie kam zu meinem Haus. Meine Eltern waren etwa seit vierundzwanzig Stunden tot. Sie kam und nahm mich mit.«
Marcus runzelte die Stirn, als er angestrengt über das Rätsel nachdachte. »Ob sie wohl wusste, dass du noch dort warst? Hatte sie es ganz gezielt auf dich abgesehen?«
»Ich glaube, ich durfte nicht einmal Abschied nehmen.«
Marcus wollte sich zu ihr umdrehen, doch die Vorhänge waren immer noch geschlossen. »Tut mir leid«, sagte er. »Das war nicht nett«, fügte er hinzu, nachdem es sonst nichts mehr zu sagen gab.
Ariel antwortete nicht.
»Die Partials suchen sie«, fuhr er schließlich fort. »Sie suchen auch Kira. Weil sie vor einigen Monaten etwas getan hat. Aber Nandita suchen sie, weil sie etwas weiß. Ich bin sicher, dass sie etwas weiß. Ich habe ein Foto von Nandita und einem Mann gesehen, und zwischen beiden Erwachsenen steht Kira. Sie hielten sich auf einem Gelände von ParaGen auf. Was Nandita auch wusste, es hatte mit Kira zu tun. Die Partials haben einen Großangriff gestartet, um die Hintergründe herauszufinden. Falls du eine Ahnung hast, was dies zu bedeuten hat, dann … Bitte, du musst es mir sagen!«
Eine ganze Weile kam keine Antwort. Marcus hörte Ariels flachen Atem hinter dem Vorhang und wartete. Er hatte
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