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Frame, Janet

Frame, Janet

Titel: Frame, Janet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wenn Eulen schrein
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wurde, das tun, was eigentlich Francies Aufgabe war: sich um seinen Mund kümmern und ihm auf dem Sofa Platz machen, damit er sich hinlegen konnte. Und dann kam viele Jahre lang niemand ins Zimmer, und es schien, als hätte man sie dorthin abgeschoben, damit sie still saßen und weiter wuchsen, ohne je wieder Menschen zu sehen oder nach Hause zu können.
    Nach Hause?
    Nach Jahren endlich kam ein Mann mit einem Auto und brachte sie nach Hause.

12
    Es gab zwei Sorten Menschen, die Mrs Withers zuwider waren, Versicherungsvertreter und Handlungsreisende. Sie hatte Verschiedenes über sie gehört, und früher, als die Familie im tiefen Süden lebte, wo die alte schwarze Grandma Withers in den Baumwollfeldern arbeitete, hatte ein Versicherungsvertreter einmal seinen Fuß in die Tür gestellt, und Mrs Withers hatte die Tür zugeschlagen und dabei beinahe den Fuß zerquetscht, und gequetschte Füße tun sehr weh, wie jeder von neuen Schuhen her weiß und aus den Gesichtern sämtlicher Leute, die Aschenputtels verlorenen Schuh ausprobieren.
    «Ich habe Ihnen doch gesagt, ich brauche nichts, danke schön», wiederholte Mrs Withers und drückte die Tür noch fester zu, für den Fall, dass man es dem Versicherungsvertreter noch deutlicher machen musste.
    Nein, sie waren ihr zuwider. Gauner und Bluthunde nannte sie sie. Blutsauger. Obwohl es eigentlich Geld war, was sie aussaugten, aber das scheint ja nur eine andere Form von Blut zu sein, die genauso lebensnotwendig ist.
    Als also an dem Tag, an dem die Kinder zur Müllgrube gegangen waren, ein Mann an der Hintertür klopfte, der wie ein Versicherungsvertreter aussah, obwohl Sonnabend war, legte Amy Withers ihre Sacktuchschürze auf die Bank in der Spülküche und machte die Tür auf, aber nur einen Spaltbreit, und drückte sie rasch wieder zu, weil sie gleich erkannte, dass der Mann ein Handlungsreisender war.
    «Ich brauche heute nichts, danke schön», sagte sie. «Ich habe kein Geld.»
    Der Mann war hartnäckig und stellte seinen Fuß in die Tür.
    «Ich bin gekommen», sagte er.
    Amy ließ ihn nicht ausreden.
    «Ich brauche nichts, danke. Ich kann bestimmt nichts kaufen, ganz egal, was Sie zu verkaufen haben.»
    Der Mann lächelte traurig, dann drückte er plötzlich die Tür auf und trat ein. Er sagte, er sei Arzt und wolle nichts verkaufen. Als er die deprimierende, unaufgeräumte Küche betrat, dachte er, wir leben wahrhaftig in einer Warenwelt, in der selbst der Tod gekauft und verkauft wird, und vor dem Tod erklärt die Welt sich bankrott.
    Nein, sagte er laut, er wolle nichts verkaufen.
    Aber er verkaufte den Tod auf grausige Weise, in Raten, obwohl Amy ihn gar nicht hereinlassen wollte.
    Er erzählte von Francie und sagte:
    «Nehmen Sie sich zusammen, Mrs Withers. Ich habe gehört, Ihr Mann ist mit seinem Zug im Norden oben. Er wird jede Minute nach Hause kommen. Er weiß es schon, aber er weiß noch keine Einzelheiten.»
    Und als Bob Withers nach Hause kam, in der einen Hand seine Arbeitstasche voll Kohlen, und in der andern seinen dreckigen Blaumann, das Gesicht verzerrt, stand er in der Tür und sah Amy in der Ecke auf dem Kasten sitzen, den Arm um Chicks gelegt. Und die anderen Kinder standen um sie herum, ganz blass, und das Küchenfeuer war aus.
    Er küsste seine Frau und fing an zu weinen, und sein Blaumann fiel zu Boden und entrollte sich, flach und ganz ohne Inhalt, zur leeren, fleckigen Hülle seines Arbeiterdaseins.
    «Ach Bob», sagte Amy. «Du bist früher da. Du bist noch nie früher nach Hause gekommen.»
    Die Kinder hatten ihren Vater noch nie weinen sehen. Sie hatten gedacht, Väter werden wütend und schimpfen über Rechnungen und tragen Hosen und lachen mit der Frau am Zeitungsstand und manchmal mit Müttern; aber weinen tun sie nie.
    Mit seinen herabgezogenen Mundwinkeln sah er aus wie ein Vogel, wie ein Huhn, wenn alle anderen Hühner abends schon im Stall sind und dem letzten Huhn plötzlich aufgeht, dass sie weg sind, und ihm der Schreck in die Glieder fährt, sodass es den Schnabel nicht mehr zubekommt; genauso sah Bob Withers’ Gesicht aus, als er die Einzelheiten über Francie erfuhr. Er erfuhr sie später als die anderen. Sie hatten Bescheid bekommen und waren, wie die Hühner am Abend, eingetrieben worden, wenn auch nicht in die Wärme. Eingetrieben ins Unbehauste, als wären sie in dem Augenblick, in dem sie durch die Tür des Wissens traten, nicht ins warme Nest gelangt, sondern in die Finsternis gestürzt, wenn auch nicht ohne eine

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