Frame, Janet
gewisse Behaglichkeit, weil sie zusammen und nahe beieinander waren. Und nun stand Bob da und wartete darauf, zu ihnen hineingetrieben zu werden, in die Finsternis ihres ganzen Wissens, und wollte zugleich doch nicht hinein und fürchtete sich wie das verlaufene Huhn.
Francie kam an diesem Abend nicht nach Hause, um in dem Bett im Zimmer nach vorn zu schlafen. Obgleich Daphne wusste, dass sie tot war, wartete sie darauf, dass sie nach Hause kam und sich vor dem Spiegel frisierte und das Kleid an der Taille festzog, um zu prüfen, ob sie auch schlank genug war; und dass sie die Beine in die Luft warf wie eine Tänzerin in der Revue; und dass sie ihre große Oper übte, obwohl sich das Gratisbuch als Betrug entpuppt hatte und man zwanzig Guineas bezahlen musste, wenn man Oper lernen wollte. Und dass sie dann ihre Mitesser ausdrückte, am Nasenflügel und an der Wange. Und sich die Augenbrauen zupfte. Auf all das wartete Daphne, aber es geschah nicht. Stattdessen blieb die Pinzette, die Francie zum Zupfen benutzt hatte, an genau derselben Stelle auf dem Frisiertisch liegen. Sie blieb Stunden und Tage und Wochen da liegen. Einmal verschob Daphne sie um ein paar Zoll, nur um zu sehen, wie sie an der neuen Stelle aussah, ob sie anders wirkte. Und sie ging zum Schrank und rückte die Kleider hin und her, ließ das Abendkleid vorwärts- und rückwärtstanzen, obwohl niemand darin steckte, ließ es den Destiny und den Maxina tanzen, nur um es zu sehen. Ach, hätte sie sie doch nur sehen können! Nur noch ein einziges Mal, nur noch ein Mal, dann wäre es gut.
Und die ganze Zeit sagte Amy Withers:
«Vertraut auf Gott.»
Während des ganzen Begräbnisses mit den Blumen und den Karten, die sie in einen Weidenkorb legte, der wie eine Wiege geformt war, damit man sie hinterher durchsehen und die hübschesten zum Aufheben aussuchen konnte, die weißen, glänzenden mit dem aufgeprägten blumenumrankten Kreuz und den Worten, die sagten, dass Francie nicht wirklich tot sei, sondern nur schlafe. Die ganze Zeit sagte Amy Withers:
«Vertraut auf Gott.»
Man konnte den Glauben nicht sehen, aber er war irgendwo da und half, wie die Luft, die das Schulkleid glätten sollte; und jetzt, da das Muster des Lebens zerrissen und durcheinandergeraten war, hieß es für Amy Withers:
Gottvertrauen wird’s richten.
Und außerdem die Hoffnung, Francie am Jüngsten Tag wiederzusehen.
13
Der lange Korridor draußen glänzt wie das Leder eines neuen Schuhs, der geht, der mit Geisterschritt auf sich selbst dahingeht, auf seinem eigenen Glanz, bis an das Zimmer, in dem die Frauen in Nachthemden auf den Neun-Uhr-Schrecken warten, Elektroschockbehandlung genannt. Sie tragen Morgenröcke aus rotem Flanell, als hätte Gott oder der Teufel einen ganzen Kontinent Stoff erworben und wanderte mit einer Schere als Stock von Küste zu Küste, um den toten Massenschnitt für wahnsinnige Männer und Frauen zuzuschneiden, deren Augen beim Anblick ihrer Welt und der Fahne aus Tuch erblinden, die als Sonnengestalt an ihrem einzigen Himmel hängt.
Oh, aber um neun Uhr, heißt es, wird alles gut werden. Ihr Sehen wird ausgeschaltet, die Binde wieder über ihre Augen gelegt, um ihren Blick auf ihren Teller, ihren Tee, ihre Zigarette zu beschränken; als Übung für die Welt; festgepflanzt, wie ein Haus, das ewig auf seinen Hintergarten schauen muss.
Haarspangen hat man ihnen weggenommen und auf dem Kaminsims aufgereiht. Ihre Zähne sind in henkellose Tassen mit lauwarmem Wasser versenkt, die einander zur Gesellschaft auf dem dünnbeinigen Tisch im Kreis angeordnet sind.
«Nehmt die Zähne raus», haben die Frauen in Rosa befohlen. «Nehmt die Zähne raus.»
Und bald wird derselbe Gott oder Teufel, der den Kontinent von Tuch durchwanderte, den Schalter umlegen, der befiehlt – Sieh. Vergiss. Werde blind.
Krümm dich, ohne zu wissen, weshalb.
Die Zähne müssen vorsorglich heraus, damit du nicht erstickst, die Augen heraus, wie bei Gloucester, um dir den Anblick der Klippe und der größeren Götter zu ersparen, die «so wild ob deinem Haupte wettern». Dein Leben muss heraus zur Vorsorge gegen das Lebendigsein.
Und die Frauen geben ihre Zähne, ihre Augen, ihr Leben her und lächeln verlegen oder verrückt in ihrer Welt aus roten Flanellmassen. Die Schwester ist rosig wie eine Blume aus dem Garten, nur dass der Wind, der ihren Körper beugt, von demselben versumpften Kontinent voll fauligem Wasser her bläst und ihr die Stimme Gottes oder des Teufels im Ohr
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