Frame, Janet
die Schwester stehen, um sich auszuruhen und auf das Picknick hinunterzublicken.
«Sie schwimmen», sagte die Schwester. «Sieh doch. Und unten regnet es.»
Wieder fiel ein Picknickregen, sanft, wie eine Erinnerung an Silber, und verwischte die Aussicht und das weiße Manuka, sodass weit unten die Menschen, die im Wasser auf und ab hüpften und umhertanzten, wie Quecksilbertropfen wirkten, die Form und Stimme angenommen hatten, aber hin und her schossen und flitzten, um dem letzten, endgültigen Anhauch oder dem Ende des Menschseins zu entkommen.
Die Farm lag um die Ecke, im Schutz großer Föhren. Es war ein kleines Gebäude, kaum Farm zu nennen, mit einem Stückchen Land eingezäunt von Manukalatten, die hinten auseinanderfielen; dort stand eine schwarze, langgesichtige Kuh ohne Hörner und käute mechanisch und gedankenlos wieder, als ob das Futter verschluckt und wieder hergegeben, verschluckt und wieder hergegeben würde, immer auf Knopfdruck, wie ein warmer runder Penny, den man in einen Telefonschlitz steckt.
«Warte hier», sagte die Schwester zu Daphne. «Ich frage eben nach Tee.»
Sie klopfte an die Tür des Farmhauses und wartete.
Sie horchten auf Schritte oder irgendein Lebenszeichen – ein Husten oder Sprechen oder eine Bewegung, aber sie hörten keinen Laut, nur das verlassene, verzweifelte Seufzen, das Föhren ausstoßen, nicht im Wind oder Sturm, sondern aus einer Art Tod oder Einsamkeit heraus, die sie in sich tragen. Die Luft war still, abgesehen von dem leisen Rieseln dunstigen Regens, der jetzt auf dem Berg ebenso fiel wie im Tal.
Niemand kam an die Tür, also klopfte die Schwester erneut und winkte Daphne zu, sie solle sich im Schatten halten, damit, wer an die Tür kam, sie nicht sehen sollte, denn beim Anblick dieser Glotzaugen musste doch jedes Kind sofort Bescheid wissen, dachte die Schwester. Also sagte sie drohend zu Daphne:
«Bleib dahinten.»
Und sie klopfte erneut. Dann drückte sie ungeduldig den Türgriff herunter und trat ein.
«Los, komm», sagte sie zu Daphne. «Wir nehmen uns einfach ein bisschen Tee und legen das Geld hin. Sie werden das schon verstehen.»
Aber das Zimmer war leer, ohne Möbel, und die Schränke waren leer, und in keinem Zimmer war etwas, als ob kein Mensch hier wohnte.
«So eine Gemeinheit», rief die Schwester. «So eine verdammte Gemeinheit. Da haben wir den ganzen Weg umsonst gemacht! Aber was ist denn mit der Kuh und den Hühnern hinten und dem Garten? Es muss doch jemand hier wohnen!»
Wieder ging sie durch das ganze Haus, öffnete Schränke und Kommoden.
«Komisch», sagte sie. «Nirgendwo liegt Staub, es ist, als ob sie sich in Luft aufgelöst hätten, mitsamt den Möbeln.»
So was Verrücktes, dachte sie, vielleicht kann das eine Verrückte erklären.
«Was hältst du davon, Daphne?»
Daphne gab keine Antwort, sondern dachte:
Wenn ich hundert Meilen reise, um einen Schatz zu finden, dann finde ich auch einen Schatz. Wenn ich hundert Meilen reise, um nichts zu finden, selbst wenn ich Geld mitnehme, um es als Bezahlung hinzulegen, dann finde ich auch nichts.
Also schmausten sie bei diesem Picknick ohne Tee, was die Schwester und den Wärter und den Busfahrer und Schwester Dulling sehr ungehalten machte; aber den Patienten war es gleich, sie tranken Sonne und braunes Eis, auch wenn es nach Schafen und altem Holz schmeckte. Und sie tranken Manuka und Buschgras, bis die Zeit kam, da das große Tuch aus Sonnenlicht ausgeschüttelt wurde, damit alle Krümel abfielen, und zusammengefaltet und weggepackt wurde und die Patienten, noch sprudelnd vor Hochgefühl in den Bus taumelten, der auf dem Heimweg wieder schwitzte und wimmerte, und den Picknickregen und das Tal und den Hügel und die schwarze, langgesichtige Kuh zurückließen, die jetzt, weil niemand zum Melken kam, traurig am Manukagatter stand, unter der Föhre, die nicht im Wind oder Sturm seufzte, sondern nur, weil sie bekümmert war.
39
Das Jahr mit Weihnachten und dem Picknick war eine wirre und seltsame Zeit, nicht wie andere Weihnachts- oder Picknickszeiten; einmal hatten beide die weiße Farbe des Todes, der Watte einer vorgetäuschten Geburt, und der Stern aus Manuka hing im Nirgendwo, wohin ihm keine Welt folgen konnte. Und dann fand im Winter desselben Jahres ein Tanz statt, bei dem die Männer von ihrer Seite des Berghangs dazu ermutigt wurden, mit den Frauen von ihrer Seite des Berghangs zu feiern, während der Häuptling und Flora Norris und Schwester Dulling zusahen und
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