Framstag Sam
Fiction hat das wirklich nichts zu tun.«
»Das Thema verlangt natürlich eine Menge Recherchierarbeit«, sagte die Muse, »aber es ist wirklich eine faszinierende Sache. Übrigens kann ich Sie – was die Recherchen angeht – mit einer erstklassigen Adresse versorgen. Nun?«
»Okay«, sagte Sam. In der Hochstimmung, in der er sich befand, hätte er sogar Symphonien komponieren können.
»Würden Sie dann bitte diesen Vertrag hier unterschreiben?« Sam überprüfte den Vertrag, sah sich besonders das Kleingedruckte an und hielt nach Fußangeln Ausschau. Abgesehen von den schrecklichen dreißig Prozent Honorarbeteiligung, konnte er jedoch nichts entdecken.
Er unterschrieb.
»Sie können mit Ihrer Arbeit einen beträchtlichen Beitrag zur Kulturgeschichte liefern«, ermutigte ihn die Muse. »Soweit ich weiß, hat sich nämlich noch niemand die Mühe gemacht, die Geschichte des jüdischen Volkes aufzuzeichnen. Vielleicht stoßen Sie bei Ihrer Forschungsarbeit sogar noch auf diesen interessanten Propheten… Wie hieß er doch gleich? Er wurde um den Beginn unserer Zeitrechnung herum geboren.«
»Sokrates? Plato?«
»Aber nicht doch. Christus. Jetzt erinnere ich mich wieder. Er hieß Christus. Den Überlieferungen zufolge hat er sogar eine eigene Religion begründet, die allerdings von den Römern sofort unterdrückt wurde. Über ihn gibt es gegenwärtig auch noch keine umfassende Studie.«
»Klasse!« sagte Sam.
Die Muse war nun etwas gesprächiger geworden und gab Sam noch mehrere Tips, wie er das Projekt in Angriff nehmen sollte.
»Was hielten Sie von einem netten Gedichtchen für Ihre Freundin – als Zugabe?« fragte sie. Sam nickte. Sie händigte ihm ein kurzes, aber prächtiges Gedicht aus. Lieber Himmel, dachte Sam, wenn Julie das liest…
Sie tranken noch ein Täßchen Kaffee und kurz darauf erfuhr Sam zu seinem großen Erstaunen, daß die meisten der Schriftsteller, die er bisher verehrt hatte, gegen eine Beteiligung von einem Prozent ihre Ideen regelmäßig bei der Muse bezogen.
Nachdem Sam gegangen war, suchte er die nächste Bibliothek auf und suchte nach Quellenmaterial über das verschwundene Volk der Juden. Die Ausbeute war denkbar gering.
Noch am gleichen Samstagabend machte er sich ans Werk. Die Arbeit ging jedoch nur zähflüssig voran, denn Sam konnte sich nur schwer konzentrieren.
Aber Moment mal… Hatte die Muse ihm nicht die Adresse eines Menschen gegeben, der ihm helfen konnte? Auf dem Zettel stand: Deleu, Kolengracht 283. Sam blätterte sein altes Telefonbuch durch, fand den gesuchten Namen jedoch erst, als er sich die dort abgedruckten Geschäftsanzeigen ansah. Als sein Blick auf die Eintragung fiel, war er nahe daran, die Nerven zu verlieren.
Da stand: Deleu. Zeitmaschinen. An- und Verkauf. Ratenzahlung möglich.
Er war doch nicht betrunken? Sam las sich die Stelle noch einmal durch, aber der Text veränderte sich nicht. »Heiliger Bimbam«, schrie er die vor ihm auf dem Tisch stehende Kaffeekanne an, »es gibt doch gar keine Zeitmaschinen!«
»Und wieso nicht?« brummte die Kaffeekanne zurück.
Sam fand es nicht einmal mehr ungewöhnlich, daß die Kaffeekanne ihm antwortete, schließlich war dies einer jener Tage, an denen alles möglich ist. Er hatte nicht nur etwas über den Framstag erfahren, sondern auch die Bekanntschaft einer Muse gemacht und gerade von der Existenz eines Zeitmaschinenhändlers gehört. Er öffnete sein ärmlich ausgestattetes Barfach, riß eine Flasche Cognac an sich und trank sie auf einen Zug leer.
Sogleich fühlte er sich besser. Dann wandte er sich wieder der Kaffeekanne zu und sagte: »Weil eine Zeitmaschine allen unmöglichen Situationen Tür und Tor öffnen würde. Sie kann Paradoxa hervorrufen.«
»Wie zum Beispiel?«
»Man könnte zum Beispiel in die Vergangenheit reisen und Adam und Eva ermorden«, feuerte Sam sein allergrößtes Anti-Zeitmaschinen-Geschütz ab.
»Du bist ein engstirniger Trottel«, erwiderte die Kaffeekanne und hüllte sich für den Rest des Abends in Schweigen.
Sam wurde nachdenklich. Wieso war er bisher noch nicht über diesen Zeitmaschinenhändler gestolpert? Er stand doch klar und deutlich im Telefonbuch? Na ja, wer würde sich auch schon ernsthaft auf die Suche nach einem solchen Menschen begeben?
Sam schlüpfte in seine Jacke, eilte in die im übernächsten Haus untergebrachte Kneipe, stemmte ein Bier, um nicht den Eindruck zu erwecken, daß er sich nur wärmen wollte und bat darum, telefonieren zu dürfen.
Aber
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