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Frankenstein

Frankenstein

Titel: Frankenstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Wollstonecraft Shelley
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Verbindung zu genießen gestattete, von der ich Frieden erhoffte.
    Ich rief mir auch ins Gedächtnis zurück, daß es für mich unbedingt nötig war, entweder nach England zu reisen oder mich auf einen langen Briefwechsel mit den Wissenschaftlern jenes Landes einzulassen, deren Wissen und Entdeckungen ich für mein Vorhaben unentbehrlich fand. Letzterer Weg, die gewünschte Auskunft zu erhalten, erschien mir zu langsam und daher unbefriedigend: überdies widerstrebte mir unüberwindlich der Gedanke, mich in meines Vaters Haus mit meiner ekelhaften Aufgabe zu beschäftigen, indes ich mit den geliebten Menschen familiären Umgang pflegte. Ich wußte, daß sich tausend schreckliche Zwischenfälle ereignen könnten, und noch deren geringster müßte eine Geschichte bloßlegen, die alle meine Angehörigen mit Entsetzen durchschauern würde. Mir war auch klar, daß ich oft jede Selbstbeherrschung verlieren mußte, jede Fähigkeit, die marternden Empfindungen zu verbergen, die mich während des Fortgangs meiner höllischen Arbeit beherrschen mochten. Solange ich so beschäftigt war, mußte ich mich von allen fernhalten, die ich liebte. Einmal begonnen, wäre es rasch geschafft, und ich mochte in Frieden und Glück meiner Familie zurückgegeben werden. War mein Versprechen erfüllt, würde das Ungeheuer für immer fortziehen. Oder (so malte es sich meine eitle Hoffnung aus) inzwischen konnte ein Zwischenfall eintreten, der zu seiner Vernichtung führte und meiner Knechtschaft für immer ein Ende machte.
    Diese Gefühle bestimmten meine Antwort an den Vater. Ich äußerte den Wunsch, England zu besuchen. Doch verbarg ich die wahren Gründe für diese Bitte und verhüllte mein Ansuchen mit einem Vorwand, der keinen Verdacht erregte, während ich meinen Wunsch doch mit einer Ernsthaftigkeit vorbrachte, die meinen Vater ohne weiteres zur Zustimmung bewog. Nach einer so lange Zeit anhaltenden grenzenlosen Schwermut, deren Tiefe und Folgen sie in die Nähe des Wahnsinns rückten, erfreute ihn bereits die Feststellung, daß ich an dem Gedanken einer solchen Reise Gefallen zu finden vermochte, und er hoffte, eine Ortsveränderung und mancherlei Vergnügungen würden mich noch vor meiner Rückkehr wieder gänzlich zu mir bringen.
    Die Dauer meiner Abwesenheit wurde mir überlassen. Wir hatten ein paar Monate, oder höchstens ein Jahr, ins Auge gefaßt. Eine Maßnahme gütiger väterlicher Vorsorge hatte er allerdings getroffen, nämlich mir einen Reisegefährten zu sichern. Ohne mir vorher etwas zu sagen, hatte er gemeinsam mit Elisabeth veranlaßt, daß Clerval sich in Straßburg mir anschloß. Das stellte das Alleinsein in Frage, das ich zur Erledigung meiner Aufgabe begehrte; doch zu Beginn meiner Reise konnte die Gegenwart meines Freundes keineswegs eine Behinderung bedeuten, und ich freute mich wirklich, daß mir so viele Stunden zur Raserei treibender, einsamer Grübeleien erspart bleiben sollten. Ja, Henri mochte sogar zwischen mir und den Zudringlichkeiten meines Feindes stehen. Würde dieser mir nicht, wenn ich allein wäre, gelegentlich seine verhaßte Gegenwart aufzwingen, um mich an meine Aufgabe zu erinnern oder ihren Fortgang zu begutachten?
    Nach England ging also meine Reise, und es war abgemacht, daß unmittelbar nach meiner Rückkehr meine Vermählung mit Elisabeth stattfinden sollte. Mein Vater war wegen seines hohen Alters jeder Verzögerung äußerst abhold. Für mich stand ein Lohn in Aussicht, den ich mir nach meiner verabscheuten Arbeit versprach – als Trost für meine beispiellosen Leiden. Es war die Aussicht auf den Tag, da ich, von meiner elenden Knechtschaft befreit, Elisabeth heimführen und in meiner Ehe mit ihr die Vergangenheit vergessen könnte.
    Ich traf jetzt Vorkehrungen zu meiner Reise. Jedoch verfolgte mich unablässig ein Gefühl, das mich mit Angst und Unruhe erfüllte. Während meiner Abwesenheit würde ich meine Lieben ohne jede Ahnung von der Existenz ihres Feindes zurücklassen, ohne Schutz vor seinen Angriffen, falls er infolge meiner Abreise in Wut geraten sollte. Doch er hatte versprochen, mir zu folgen, wohin ich auch ginge. Würde er mich nicht nach England begleiten? Diese Vorstellung war an sich schrecklich, doch insofern beruhigend, als sie Sicherheit für meine Lieben vorauszusetzen erlaubte. Ich litt Qualen bei dem Gedanken, womöglich würde das Gegenteil eintreten. Doch während der gesamten Zeitspanne, als ich der Sklave meines Geschöpfes war, ließ ich mich von den Impulsen

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