Frankenstein - Der Schatten: Roman (German Edition)
Artgenossen waren Erika Demut, Scham und Hoffnung gestattet. Victor fand Zärtlichkeit und Verletzlichkeit reizvoll an einer Ehefrau.
Der Tag hatte schon mit einer Tracht Prügel begonnen, beim Sex am Morgen. Er hatte sie schluchzend und mit rasenden Schmerzen im Bett zurückgelassen.
Zwei Stunden später war ihr grün und blau geschlagenes Gesicht wieder so glatt und makellos wie eh und je, doch es bedrückte sie, dass es ihr misslungen war, ihn zufriedenzustellen. Nach allen biologischen Indizien zu urteilen, war er erregt und befriedigt gewesen, aber das konnte nicht der Fall sein. Die Prügel schienen darauf hinzuweisen, dass er sie unzulänglich fand.
Sie war Erika fünf. Vier Vorgängerinnen, die äußerlich identisch mit ihr waren, waren in den Schöpfungstanks gezüchtet worden, um ihrem Schöpfer als Ehefrau zu dienen. Aus diversen Gründen waren sie nicht zufriedenstellend gewesen.
Erika fünf war weiterhin wild entschlossen, ihren Ehemann nicht zu enttäuschen.
Ihr erster Tag als Mrs Helios hatte zahlreiche Überraschungen für sie bereitgehalten, mysteriöse Vorfälle, Gewalttätigkeit, Schmerz, den Tod eines Hausangestellten und einen nackten Albinozwerg. Gewiss würde der zweite Tag, der bald beginnen würde, weniger ereignisreich verlaufen.
Während sie im Dunkeln auf der verglasten Veranda hinter dem Haus saß und sich von der zweiten Tracht Prügel erholte, trank sie den Cognac so schnell, dass selbst ihr prachtvoll konstruierter Stoffwechsel den Alkohol nicht abbauen konnte. Bisher war es ihr jedoch trotz der zweieinhalb
Flaschen, die sie zu sich genommen hatte, nicht gelungen, den angestrebten Zustand der Trunkenheit zu erreichen, aber sie fühlte sich immerhin entspannt.
Bevor der Regen eingesetzt hatte, war der Albinozwerg am hinteren Ende des Rasens aufgetaucht, von der Landschaftsbeleuchtung enthüllt, wie er aus den Schatten unter einer Magnolie zur Laube tollte, von dort aus zum Laubengang mit den Trompetenblumen und weiter zum spiegelnden Teich.
Da Victor drei prachtvolle Anwesen erworben und sie miteinander verbunden hatte, war sein Grundstück das größte im berühmten Garden District. Auf diesem weitläufigen Gelände gab es für einen neugierigen Albinozwerg zahlreiche Winkel zu erkunden.
Schließlich hatte dieser eigentümliche Besucher sie hinter den großen Fenstern des dunklen Wintergartens entdeckt. Er war dicht an die Glasscheiben gekommen, sie hatten ein paar Worte miteinander gewechselt, und Erika hatte unerklärliches Mitleid für ihn empfunden.
Es war zwar nicht anzunehmen, dass es sich bei dem Zwerg um einen Gast handelte, der Victors Billigung gefunden hätte, doch das entband Erika noch lange nicht von ihren Pflichten als Gastgeberin. Schließlich war sie Mrs Helios, die Ehefrau eines der prominentesten Männer von New Orleans.
Nachdem sie den Zwerg aufgefordert hatte zu warten, war sie in die Küche gegangen und hatte einen geflochtenen Picknickkorb mit Käse, kaltem Braten, Brot, Obst und einer Flasche eisgekühltem Chardonnay Far Niente gefüllt.
Als sie mit dem Picknickkorb zur Tür hinausgetreten war, war das verängstigte Geschöpf fortgeeilt und hatte sie von weitem beobachtet. Sie hatte den Weidenkorb auf den Rasen gestellt und war in den Wintergarten zurückgekehrt, zu ihrem Cognac.
Schließlich war der Zwerg zurückgekommen, um den Weidenkorb zu holen, und dann damit in die Nacht geeilt.
Da sie wenig Schlaf brauchte, war Erika im Wintergarten sitzen geblieben und hatte über diese Ereignisse nachgedacht. Als der Regen einsetzte, hatte sich ihre Nachdenklichkeit vertieft.
Jetzt, weniger als eine halbe Stunde nach dem Einsetzen des Regens, kehrte der Zwerg durch den Schauer zurück. Er hielt die zur Hälfte geleerte Flasche Chardonnay in der Hand.
Die kleine rot-weiß-karierte Tischdecke, mit der sie den Picknickkorb ausgeschlagen hatte, hatte er sich als Sarong, der ihm bis zu den Knöcheln reichte, um die Taille gebunden. Das schien darauf hinzuweisen, dass er nicht aus freier Entscheidung nackt durch die Nacht gerannt war. Er blieb vor der Glastür stehen und sah sie an.
Obwohl er eigentlich gar kein Zwerg war und sie bereits beschlossen hatte, Troll sei eine treffendere Bezeichnung für dieses seltsame Wesen, fürchtete sich Erika nicht vor ihm. Sie bedeutete ihm, sich ihr in dem dunklen Wintergarten anzuschließen, und er öffnete die Tür.
10.
Als Annunciatas Gesicht auf dem Computerbildschirm im Networkingroom vollständig ausgeblendet war,
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