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Frankenstein oder Der moderne Prometheus

Frankenstein oder Der moderne Prometheus

Titel: Frankenstein oder Der moderne Prometheus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Shelley
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allmählich imstande war, meine
Empfindungen auseinander zu halten. Ich sah den klaren Bach, der
mich mit Wasser versorgte, und die Bäume, die mir mit ihrem Laub
Schatten und Schutz gaben. Mit Freude entdeckte ich, daß ein liebliches Geräusch, das mir unter Tags
fast unausgesetzt an die Ohren schlug, von kleinen, geflügelten
Wesen herrührte. Oftmals versuchte ich ihren Gesang nachzuahmen,
aber es war mir unmöglich. Oft auch bemühte ich mich, meinen
Gefühlen in meiner Weise Ausdruck zu geben. Da ich aber nur harte,
unartikulierte Laute zuwege brachte, erschrak ich und schwieg.
    Unterdessen hatte der Mond aufgehört, in den Nächten zu
scheinen, und war dann wieder als kleine Sichel am Himmel
aufgetaucht. Ich aber weilte immer noch im Walde. Meine Sinne
hatten sich während dieser Zeit geschärft und jeder Tag brachte mir
neue Anregungen. Meine Augen hatten sich an das Licht gewöhnt und
gelernt, die Gegenstände in ihrer richtigen Form zu erkennen. Ich
konnte einen Käfer von einer Pflanze und die Pflanzen wieder unter
sich unterscheiden. Ich hatte entdeckt, daß der Sperling nur rauhe,
häßliche Laute zur Verfügung hat, während der Gesang der Nachtigall
oder der Drossel mir Entzücken verursachte.
    Eines Tages, als mich die Kälte umhertrieb, fand ich ein Feuer,
das irgendwelche wandernden Bettler sich im Walde angezündet haben
mochten, und freute mich der Wärme, die es ausstrahlte. In meiner
Freude steckte ich meine Hand in die Glut, zog sie aber mit einem
Aufschrei wieder zurück. Wie seltsam, dachte ich nur, daß ein und
dieselbe Ursache so verschiedene Wirkungen haben kann. Ich
untersuchte das brennende Material und erkannte zu meiner Wonne,
daß es gewöhnliches Holz war. Ich sammelte eilends ein paar Zweige,
aber sie waren feucht und wollten nicht brennen. Das tat mir sehr
leid und ich setzte mich sinnend ans Feuer und sah ihm zu. Indessen
war das Holz, das ich in der Nähe niedergelegt, trocken geworden
und war von selbst in Brand geraten. Ich dachte darüber nach und
eine Untersuchung der Zweige belehrte mich über die Gründe dieser
Erscheinung. Ich machte mich deshalb daran, Holz einzusammeln und
stapelte es mir auf, um immer mit recht viel Feuer versehen zu
sein. Als es Nacht wurde, fürchtete ich mich vor dem Einschlafen,
da ich Angst hatte, das Feuer könne
unterdessen erlöschen. Ich deckte es deshalb sorgfältig mit
trockenen Zweigen und Blättern zu und legte dann feuchtes Holz
darauf. Dann streckte ich mich auf dem Boden aus und versank in
Schlaf.
    Als ich am Morgen wach wurde, war es mein Erstes, nach dem Feuer
zu sehen. Ich deckte es ab und ein leichter Wind fachte es alsbald
wieder zu hellen Flammen an. Auch dies beobachtete ich und zog eine
Lehre daraus. Ich konstruierte mir einen Fächer aus Zweigen und
benützte ihn zum Anfachen der Glut, wenn sie zu erlöschen drohte.
Nach Einbruch der Dunkelheit bereitete es mir eine Freude zu sehen,
daß das Element nicht nur Wärme, sondern auch Licht verbreitete.
Und auch für die Zubereitung meiner Nahrung sollte es mir von
Nutzen sein. Denn einige der Speiseabfälle, die die Fremden
zurückgelassen hatten, waren durch das Feuer geröstet worden und
schmeckten mir besser als die Beeren, die ich bisher von den
Sträuchern gepflückt. Ich versuchte deshalb, meine Nahrung in der
gleichen Weise zu behandeln, indem ich sie in die Flamme hielt. Die
Beeren allerdings wurden vom Feuer verzehrt, während die Nüsse und
Wurzeln wesentlich schmackhafter wurden.
    Nach und nach wurde meine Nahrung immer spärlicher und ich mußte
manchmal den ganzen Tag suchen, bis ich einige armselige Eicheln
fand, um meinen rasenden Hunger zu stillen. Ich beschloß daher,
meinen bisherigen Aufenthaltsort mit einem anderen zu vertauschen,
von dem aus es mir leichter würde, mich mit dem Notwendigsten zu
versehen. Allerdings fiel es mir schwer, mein geliebtes Feuer
verlassen zu müssen, denn ich wußte ja nicht, wie ich wieder in
seinen Besitz kommen könnte. Ich verbrachte längere Zeit mit der
Überlegung, wie ich diesem Umstände abhelfen könnte, aber es war
vergebens. Ich hüllte mich also fester in meine Lumpen und schritt
durch den Wald davon, der sinkenden Sonne entgegen. Drei Tage irrte
ich in dem Dickicht umher, bis ich endlich offenes Land erreichte.
In der vorhergehenden Nacht war mächtiger Schneefall eingetreten
und die ganze Gegend war in ein einförmiges Weiß gehüllt.
Es war ein trostloser Anblick und es
bereitete mir Schmerz, mit meinen nackten

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