Franklin Gothic Medium (German Edition)
ihres Lebens. Ihr geschundener Körper fühlte sich an wie der eisige Gipfel des Mount Everest; bestiegen, markiert, von hinterlassenem Müll beschmutzt. Die Bergsteiger waren verschwunden, doch ihre Eispickel würden auf ewig in ihrer Seele stecken bleiben. Atombombenblitzlichtgleich fühlte sie unzählige in ihr Fleisch eingebrannte Schattenhände; Erniedrigung als Weltuntergangs-T attoo. In ihrem Verdauungstrakt befanden sich mehr verschiedene Körperflüssigkeiten als auf einer vereisten Autobahn nach einem Auffahrunfall an dem mehrere Samenbanktransporter beteiligt waren. Ihre Haut fühlte sich beschmutz an wie der Mantel eines arglosen Passanten, der an einem von Tauben, diesen fliegenden Ratten, bewohnten Denkmal vorbeigegangen war. Von Übelkeit übermannt versuchte sie sich zu übergeben, als wäre sie ein bei McDonalds außer Kontrolle geratener Milchshakeautomat. Sie hatte es nicht einmal bis zur Toilette geschafft, sondern nur bis zum Spülbecken, wo sie nun nach frischer Luft ringend stand und es auch tatsächlich schaffte zweimal tief einzuatmen, bevor ein weiterer, übelschmeckender Cocktail aus sämtlichen Spirituosen die ihr bekannt waren sich schwallart ig seinen Weg ins Freie bahnte.
Als ihr Magen schließlich substanzfrei und leer wie eine Pfütze in der Wüste Gobi nach dreimonatiger Trockenheit war, spülte sie sich eilig ihre Mundhöhle aus, gurgelte mit dem frischen Wasser und versuchte den ekelerregenden, spermatösen und alkoholgeschwängerten Geschmack zu vertreiben. Der hatte sich auf ihrer Zunge festgesetzt als wäre er ein Greenpeace- Anhänger der sich protestierend und schützend an einen Wal kettet, welche r von der japanischen Walfänger-F lotte durch s stürmische Meer gehetzt wird.
Ihre Bemühungen waren ebenso aussichtslos und vergebens wie die Anstrengung eine Gerberei in eine nach Blüten duftende Oase zu verwandeln. Und zwar nicht Jahre nach ihrer Stilllegung, sondern während die Gerber das Leder noch beizten. Fraglich war, was diesen Brechreiz in stärkerem Maße auslöste, der Alkohol oder die Tatsache, dass sie es innerhalb einer Nacht fertiggebracht hatte von einer Gold- Star- Lesbe zu einer der orientierungslos erscheinenden Frauen zu werden, deren männliche Geschlechtspartner den weiblichen anzahlmäßig deutlich überlegen waren, die von sich aber trotzdem steif und fest behaupteten 100% lesbisch zu sein. Mit Ekel erinnerte sie sich an die zahllosen Männer, die ihren Körper benutzen, sich an ihr befriedigten, sie bespritzten mit ihrem scheußlichen Saft, als wäre sie ein atomarer Regenwald zur Mittagszeit, wenn der radioaktive Niederschlag am stärksten ist. Und der heilige Atomfrosch, grüner Schleimregent der nuklearen Ödnis, quakte das Lied der sich schämenden Moleküle. Hätte sie das Gericht der Rache wie empfohlen kalt serviert, wäre es nie so weit gekommen! Ihr Temperament und ihre Impulsivität, die sie vormals als eine ihrer starken und liebenswerten Eigenschaften empfunden hatte, entpuppten sich nun als die Natter, die sie an ihrem Busen genährt hatte, als der tückische Dolch im Nacken, ihre große Schwäche.
Seufzend ging sie zum Fenster, wollte es öffnen um den göbeligen Geruch des Raumes zu erfrischen, indem sie die abgasreiche, schwüle Luft dieser Stadt einlud sich damit zu vermengen. Ihr Blick fiel auf eine seltsame Szenerie. Vor dem benachbarten Haus stand ein Lastwagen und ein voodooistisch angehauchter Dreadlockträger mit einer Hühnerkralle um den Hals lud gerade, gemeinsam mit einem Mann der so krank aussah als könne er nicht einmal mehr eine Infusionsflasche halten selbst wenn sein Leben daran hinge, einen Teppich in den Transporter, der aber nicht ordentlich zusammengerollt war, sondern klobig und unförmig und aus dem etwas tropfte, das auf dem Asphalt der Straße kleben blieb wie schmieriges Öl. Die Beiden wirkten so angestrengt, als ob der Teppich Tonnen wiegen würde und nicht nur dem Kranken, sondern auch dem Voodoo- Typen stand die Anstrengung ins Gesicht geschrieben und auf die Stirn der Schweiß. Naomi war Hobby- Ornithologin, allerdings nur an Feiertagen und auch dann nur wenn der Wind von Westen wehte, was in einer Gegend in der vom Meer her ein konstanter Ostwind wehte selten war, und dann meist nachts. Auf keinen Fall besaß sie ein Fernglas, weil sie ein neugieriger Mensch gewesen wäre. Vögel waren einfach ihre Passion, besonders die farbenprächtigen Bordsteinschwalben, und selten war es vorgekommen, dass sie das
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