Franley, Mark
zurück auf dem Flur und schüttelte den Kopf. Da nur noch die verglaste Tür übrig war, postierten sie sich wieder zu beiden Seiten des Türstocks und wiederholten das Spiel.
Schon nach dem ersten Blick in das für einen Altbau typisch hohe Zimmer wusste Mike, dass sie hier nicht die Ersten waren. Das Chaos aus herumliegenden, persönlichen Dingen des Pfarrers ignorierend, konzentrierte sich Mike auf die Sicherung des Raumes. Auch Natalie war noch bei der Sache und kontrollierte das letzte Zimmer, in das eine weitere Tür rechts neben der Flurtür führte, dann sagte sie so laut, dass Mike zusammenzuckte: »Es ist niemand mehr hier!«
Mike entspannte sich, rief die Spurensicherung an und begann sich anschließend umzusehen. Wer auch immer vor ihnen hier war, auf Geld oder Wertsachen hatte er es nicht abgesehen. Selbst die Geldbörse des Pfarrers, die auf einer alten Kommode lag, war zwar durchsucht worden, aber das Geld hatte man achtlos auf den Boden geworfen.
»Ich verstehe das nicht!«, sagte Mike, als Natalie aus dem Schlafzimmer kam. »Das hier war doch bestimmt nicht der Mörder des Pfarrers. Man bringt doch niemanden um und durchsucht dann erst einen Tag später dessen Wohnung. Noch dazu, wenn die Polizei bereits ermittelt.«
Natalie zuckte ratlos mit den Achseln: »Vielleicht hatte der Pfarrer mehr als einen Feind?«
»Und der taucht ausgerechnet auf, nachdem der Pfarrer ermordet wurde?«, zweifelte Mike, dann deutete er auf die Hand seiner Partnerin: »Was hast du da?«
»Ach so, ja ...«, sagte diese und hob etwas in die Höhe, was auf den ersten Blick wie eine schwarze Plastiktüte aussah.
»Was ist das?«, fragte Mike noch einmal und versuchte das Ding zu identifizieren, was ihm aber erst gelang, als Natalie es auffaltete. Mike brauchte einen Moment: »Ach du Scheiße, ist es das, für das ich es halte?«
Natalie nickte mit einem eigenartigen Grinsen: »Ja, das, mein lieber Kollege, ist ein Ganzkörperlatexanzug und unser Hochwürden hat noch einiges mehr davon in seinem Kleiderschrank!«
Mike verdrängte das Bild, welches sich in seinem Kopf bildete, und stellte dann betont sachlich fest: «Das könnte ein Anhaltspunkt sein. Ich rede später mal mit den Kollegen von der Sitte!«
Natalie hatte das anrüchige Kleidungsstück auf den Sessel gelegt und hob eines der herumliegenden Papiere auf, dann stellte sie ebenso sachlich fest: »Und mit den Münchner Kollegen wirst du auch reden müssen.« Ohne weitere Erklärung reichte sie Mike das Blatt Papier, der es erst überflog und dann feststellte: »Er war Samstagnacht in München?!«
»Da ist mehr los in der Szene!«, stellte Natalie trocken fest.
»Laut dieser Zugreservierung ist er erst am Sonntagmorgen, um sechs Uhr, zurückgekommen. Das heißt er hat den Gottesdienst in ziemlich desolatem Zustand abgehalten. Vielleicht hat der Täter davon gewusst und dadurch auf weniger Gegenwehr gehofft?«, spekulierte Mike weiter, dann fiel ihm die ursprüngliche Frage wieder ein, und mehr zu sich selbst sagte er: »Und wer hat das hier veranstaltet?«
»Ich denke, der Mann, der dich niedergeschlagen hat, aber warum der hier herumschnüffelt, kann ich mir auch nicht erklären«, ging Natalie auf die Frage ein, weiter kam sie allerdings nicht, da eine bekannte Stimme »Hallo, ist jemand hier?« von der Wohnungstür her rief.
»Kommt rein!«, antwortete Mike den Kollegen, worauf sich drei Männer in dünnen weißen Anzügen in das Wohnzimmer drängten. Mike erklärte den Kollegen der Spurensicherung kurz, worum es ging, anschließend verließ er mit seiner Partnerin die Wohnung und sie fuhren zurück ins Präsidium.
»Siehst du Scheiße aus!«, waren Karls erste Worte, als seine beiden Kommissare das Büro betraten. Dann wartete er, bis sich Mike und Natalie gesetzt hatten, und fragte: »Also, was ist los in unserer Stadt?«
Mike war sich zwar sicher, dass sein Chef bereits über alles informiert war, trotzdem antwortete er: »Einmal Kopfschuss bei einem obdachlosen Exlehrer, der des sexuellen Missbrauchs verdächtigt wurde. Einmal ein zu Tode gefolterter, katholischer Pfarrer, der Latexklamotten in seinem Schrank hat und in der Nacht vor seinem Tod in München war. Und ein osteuropäisch aussehender, zwei Meter großer Mann, der einen Hauptkommissar niederschlägt und im Leben des Pfarrers herumschnüffelt.« Mike machte eine kurze Pause. »Ach, und der Mörder des Pfarrers war ziemlich sicher kleiner als ich, es könnte sich also auch um eine Frau handeln.«
Karl
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