Franley, Mark
dass sie nicht mehr in das Schlafzimmer ihrer Eltern durften. Es war ein verregneter Tag und sie spielten im Haus Verstecken. Als Karla nicht mehr wusste, wo sie sonst ein Versteck finden sollte, öffnete sie leise die Schlafzimmertür und schlüpfte hinein. Trotz der Mittagsstunden herrschte fast völlige Dunkelheit in dem Raum und der bleierne Gestank von Schweiß, Urin und Kot schnürte ihr fast die Luft ab. Zunächst dachte Karla, allein in dem Raum zu sein, als sie ein leises Stöhnen erstarren ließ. Unsicher, ob sie das Zimmer wieder verlassen, oder nachschauen sollte, siegte ihr kindliche Neugierde. Langsam gewöhnten sich ihre Augen an das wenige Licht, und als ihr Blick auf das Bett fiel, sah sie ihn. Ihr Vater lag halb aufgedeckt, nur mit einer schmutzigen Unterhose bekleidet da und sein Körper schien gleichzeitig zu glühen und zu frieren. Karla nahm allen Mut zusammen, trat vor das Bett und fragte leise: »Was ist mit dir? Bist du krank, soll ich einen Arzt rufen?«
Langsam öffnete er die Augen, aber ihr kam es vor, als würde er sie aus der Ferne betrachten. Er leckte sich über die trockenen Lippen, bevor er stöhnte: »Besorge mir das Zeug ... Bitte besorge mir etwas ... Sag ihm, ich werde es morgen bezahlen.«
»Was soll ich besorgen?«, fragte Karla. »Brauchst du Medikamente vom Arzt?«
Vaters Blick schien für einen Moment klarer zu werden und in Karla keimte schon Hoffnung auf, doch sie wurde schnell eines Besseren belehrt. Von einem Moment zum anderen schoss sein Kopf ein Stück in die Höhe und er brüllte: »Bist du völlig bescheuert, besorge mir etwas von Michail, und zwar schnell!« Es folgte eine kurze Pause, dann ließ er sich zurück auf das Kissen sinken und murmelte: »Und dann komm ins Bett, ich will dich spüren.« Erst jetzt wurde Karla klar, dass ihr Vater glaubte, ihre Mutter würde neben dem Bett stehen. So leise wie möglich schlich sie sich zur Tür und verließ den Raum. Seltsamerweise wunderte sich ihre Mutter nicht besonders über das, was Karla ihr kurz darauf in der Küche erzählte. Ihre einzige Reaktion war ein kurzer Seufzer, dann ging sie erst zu ihm und verließ wenig später das Haus.
Die beiden Kinder verlegten ihr Spiel auf Drängen von Karla nach außen, und als es Abendessen gab, war alles, als wäre nichts geschehen.
»Wie lange habt ihr morgen Schule?« schien das Einzige, was ihren Vater, nach seiner wundersamen Genesung, interessierte und als beide sagten, dass sie bis spätestens 14 Uhr zuhause sein würden, bestand er darauf, dass sie sich sonst nichts vornahmen.
Nach dem Abendessen ersonnen sich die beiden Geschwister die wildesten Spekulationen, was ihr Vater am nächsten Tag wohl Tolles mit ihnen vorhatte.
–16–
Da die Zeitungen am Dienstagmorgen keinen neuen Mord zu verkünden hatten, wurde der des Pfarrers noch einmal ausführlich analysiert. Wie so oft wunderte sich Mike, wie diese Reporter an ihre Informationen kamen, aber er hatte da so eine Ahnung. Noch bevor er den Gedanken weiterspinnen konnte, öffnete sich die Bürotür und seine gut gelaunte Partnerin kam herein. »Ich hab uns Brezen mitgebracht, möchtest du auch?« Mit diesen Worten hielt sie ihm eine Papiertüte unter die Nase, aus der es verführerisch duftete. Eigentlich wollte er ablehnen, doch sein Magen signalisierte ihm etwas anderes. Seit er allein lebte, hatten sich katastrophale Essgewohnheiten eingeschlichen und Frühstück gab es nur noch, wenn er bei irgendeiner Frau aufwachte. Allerdings hatte er dann meist einen solchen Kater, dass ihm nicht nach Essen war.
Natalie bemerkte sein Zögern, schüttelte die Tüte etwas und sagte: »Na, los.«
Mike sah sie an, lächelte und griff zu: »Danke dir!«
»Gibt es etwas Neues?«, erkundigte sich Natalie, während sie ihre Sachen ablegte und den Computer startete.
»Ich bin selbst erst ein paar Minuten hier«, antwortete Mike mit vollem Mund, schob die Zeitung beiseite und öffnete das E-Mail-Programm. Dann überflog er die neuesten Nachrichten und sagte: »Die Berichte der Spurensicherung und der Gerichtsmedizin sind da. Schau du dir das von dem Lehrer an und ich werde mich um den Pfarrer kümmern. Wir müssen in einer halben Stunde zu Karl und bis dahin sollten wir etwas zu erzählen haben.«
»Ist gut«, stimmte Natalie zu, verschwand hinter ihrem Monitor, schaute aber gleich darauf noch einmal zu ihm rüber: »Das Pflaster steht dir übrigens besser als der Turban!« Mike macht einen bösen Gesichtsausdruck und
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