Franny Parker
Sonne und Erde.
»Was sagen sie aus?«, flüsterte ich.
»Also, vor allem mal, dass du gute Jahre hinter dir hast. Gute Familie. Toller Hund.« Er stieß Jax mit den Zehen an. »Und du kennst dich in der Natur aus. Du bist kein Angsthase.«
»Bin ich nicht?« Das überraschte mich. Mein Herz schlug heftiger in meiner Brust, als wollte es sagen: »Ach, wenn du nur wüsstest!«
»Kein Angsthase, den ich kenne, würde eine Klinik für frei lebende Tiere einrichten!«, sagte er.
Ich lächelte stolz und zog meine Hand widerstrebend aus seiner. »Was ist mit deinen Linien?«, fragte ich mutig.
Er zögerte, ließ mich aber seine Hand nehmen. »Und?« Er zog scherzhaft die Augenbrauen hoch.
»Hmm, da steht, dass du Tiere auch magst. Und die Natur. Dass du von überall her kommst. Und aus einer netten Familie.«
Bei Letzterem zog er seine Hand zurück.
»Was ist?« Ich hatte etwas Falsches gesagt.
»Nichts«, murmelte er und drehte die Hand im Schoß nach unten. Er wandte sich mir zu. Sein Gesicht war so nah bei meinem, dass sich unsere Nasen fast berührten. »Mit einem hast du nicht recht.«
»Mit was?«
»Das mit der Familie. Meine Familie, also, die ist anders als deine.«
»Aber deine Mutter ist doch super«, sagte ich.
Er nickte. »Ja, ich weiß. Es ist einfach nur so, dass meine Jahre nicht gut waren.«
»Du meinst wegen deinem Vater?«
Er sah weg. »Ich hab keinen Vater«, sagte er bestimmt. »Er ist tot.«
Lange sagte keiner von uns etwas. Wir saßen einfach nur unter dem Scheunentor und ließen zu, dass sich die Hitze träge auf uns drückte. Es war friedlich hier in der Scheune, aber auch traurig, wegen der Tiere in den Ställen, die keine Mütter hatten, und wegen Lucas auf dem Heu, der keinen Vater hatte. Er seufzte, dann legte er seine Hand auf meine.
»Ich bin richtig froh, dass ich dich kenne, Franny.« Er sah mich fest an, seine Augen wie der Fluss draußen vor der Scheune, feucht und voller Hoffnung.
»Abendessen!«, rief Mama von der Veranda. Ich fuhr zusammen, zog meine Hand zurück und schob sie nervös in die Hosentasche. Lucas sprang auf, klopfte sich ab und wir liefen eilig aus der Scheune. Zusammen gingen wir einen Teil des Weges, bis er sich kurz vor unserem Garten teilte und wir getrennt nach Hause gingen. Er in das stille kleine Holzhaus, ich in das umtriebige Farmhaus. Ich fühlte ein seltsames Kribbeln auf der Handfläche.
Einladung
D er Küchentisch war bedeckt mit lila Seidenpapier und glitzernden Briefkarten, als ich zum Essen kommen wollte. Ich hatte die Kiste mit den Mäusebabys mitgebracht, um sie Mama zu zeigen, aber wie es aussah, war zwischen dem Projekt, das Sidda da vorhatte, nicht ein glitzerfreies Plätzchen, wo ich sie hätte hinstellen können.
»Marilee wird nächsten Samstag vierzehn«, verkündete Sidda. »Und ich bin zu ihrer offiziellen Party-Planerin ernannt worden.« Sie befeuchtete einen Briefumschlag mit der Zunge und versiegelte ihn theatralisch mit einem Kuss.
»Geburtstagskuchen!«, jubelte Ben und stieß die Faust in die Luft.
»Du«, sagte Sidda und unterbrach sich, um einen weiteren Umschlag anzulecken, »bist gar nicht eingeladen.«
»Mom, das ist gemein«, jammerte Ben.
Ich nahm eine der lilafarbenen Einladungen hoch.
»Geh mit deinen Mäusefingern von den Karten weg!«, sagte Sidda und entriss mir die Einladung.
Ich streckte ihr die Zunge raus.
»Sidda, könntest du deinen Kram vielleicht vom Tisch räumen, damit Franny und Ben decken können?«, schlug Mama vor und stellte Salatdressings auf die Anrichte. »Wie geht’s den Patienten?«, fragte sie mich und deutete auf die Mäusekiste.
Ich stellte sie auf die Anrichte und klappte den Deckel hoch, damit sie hineingucken konnte. Die fünf Babys zuckten im Schlaf und streckten ihre kleinen rosigen Pfötchen. Der kleinste Mäuserich gähnte.
Mama strahlte. »Wow, sie kriegen ja schon ein Fell, Franny. Gut gemacht!« Sie hatte recht, die Mäuse sahen prächtig aus. Aber ein Baby war kleiner als die Übrigen. Ben hatte es Winzling getauft.
»Um Winzling mache ich mir Sorgen«, sagte ich zu Mama.
Sie nickte. »Klar, Schätzchen. Schwierig mit Mäusen. Er braucht einfach ein bisschen Extrapflege.«
Winzling war vielleicht der Kleinste, aber er war mein Liebling. Ich nahm ihn auf und steckte ihn in die Brusttasche meiner Bluse. Ich konnte seinen kleinen warmen Mäusekörper spüren, während er sich zum Schlafen einrollte.
»Hey, Mom«, unterbrach uns Sidda, »wie ist die Adresse von den
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