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Franzen, Jonathan

Franzen, Jonathan

Titel: Franzen, Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freihheit
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jedem aus der Straße, der den Berglunds gegenüber illoyal
genug war, ihr zuzuhören, mit lauter und etwas hämischer Stimme gern
beschrieb.
    «Joey war so ruhig, so ruhig»,
sagte Carol. «Ich schwöre bei Gott, er sah aus,
als könnte er kein Wässerchen trüben. Ich bin mit Connie rübergegangen, um ihn zu unterstützen und auch um klarzumachen, dass
mir die Regelung total recht ist, denn ihr kennt Walter ja, so rücksichtsvoll,
wie er ist, hätte er sonst bestimmt befürchtet, ich könnte das als Zumutung
empfinden. Und Joey war total verantwortungsbewusst, wie immer. Er wollte nur,
dass alle auf demselben Stand sind und dass die Karten offen auf dem Tisch
liegen. Er hat ihnen erklärt, er und Connie hätten
alles mit mir besprochen, und ich habe Walter gesagt - weil mir nämlich klar
war, dass ihm das Sorgen machen würde -, ich habe ihm gesagt, die
Lebensmitteleinkäufe wären kein Problem. Blake und ich sind jetzt eine
Familie, und wir füttern gern noch einen mehr durch, und außerdem ist Joey
große Klasse, wenn es ums Abwaschen und Müllrausbringen und Aufräumen geht, und
dann habe ich Walter noch gesagt, er und Patty wären Connie gegenüber ja auch so großzügig gewesen und hätten sie bei sich
mitessen lassen und so. Ich wollte das anerkennen, denn sie waren wirklich
großzügig, als ich mein Leben nicht im Griff hatte, und ich bin ihnen dafür all
die Jahre unheimlich dankbar gewesen. Und Joey bleibt die ganze Zeit dermaßen
ruhig und verantwortungsbewusst. Er sagt, dass er eigentlich gar keine andere
Wahl hat, wenn er Zeit mit Connie verbringen
will, weil Patty sie ja nicht mal mehr ins Haus lässt, und ich springe ihm bei
und sage, wie total ich hinter ihrer Beziehung stehe - wenn bloß alle anderen
jungen Leute auf dieser Welt so verantwortungsbewusst wären wie die beiden,
dann wäre die Welt viel schöner - und wie viel besser es ist, dass sie bei mir,
in Sicherheit und Verantwortung, im Haus wohnen, anstatt irgendwo draußen
rumzuschleichen und sich in Schwierigkeiten zu bringen. Ich bin Joey so
dankbar, er wird bei mir im Haus immer willkommen sein. Das habe ich ihnen
gesagt. Und ich weiß schon, dass Patty mich nicht mag, sie hat immer auf mich
herabgesehen und auch Connie hochnäsig
behandelt. Das weiß ich ganz genau. Ich weiß so einiges darüber, wozu Patty
fähig ist. Deshalb war mir auch klar, dass sie auf die eine oder andere Art
ausflippen würde. Und tatsächlich verzieht sie das Gesicht und sagt:
Tochter? Glaubst du im Ernst, er ist in sie verliebt?> Mit dieser hohen, dünnen Stimme. Als wäre es unmöglich, dass einer
wie Joey sich in Connie verliebt,
weil ich nicht aufs College gegangen bin oder was weiß ich, oder weil ich nicht
in so einem großen Haus wohne oder nicht aus New York komme oder was weiß ich,
oder weil ich, anders als sie, einen kreuzehrlichen Vierzigstundenjob habe.
Patty ist so voller Geringschätzung mir gegenüber, das glaubt man gar nicht.
Aber mit Walter, dachte ich, könnte ich reden. Der ist wirklich ein Schatz.
Sein Gesicht ist knallrot angelaufen, wahrscheinlich weil ihm das alles
peinlich ist, und er sagt: Was ich in Ordnung
finde. Ich bin doch nicht hingegangen, um Unfrieden zu stiften, so jemand bin
ich nicht. Aber Joey sagt nein. Er sagt, dass er sie ja nicht um Erlaubnis
bittet, sondern ihnen nur mitteilt, was er tun wird, und dass es nichts zu
diskutieren gibt. Und da verliert Walter die Fassung. Komplett. Die Tränen
strömen ihm übers Gesicht, so fertig ist er - und ich kann das verstehen,
immerhin ist Joey sein jüngstes Kind, und es ist ja nicht seine Schuld, dass
Patty so uneinsichtig und so gemein zu Connie ist und
dass Joey deshalb nun nicht mehr bei ihnen wohnen möchte. Jedenfalls fängt er
an, aus vollem Hals zu brüllen, so was wie DU BIST SECHZEHN JAHRE ALT, UND DU
GEHST NIRGENDWOHIN, BIS DU NICHT MIT DER SCHULE FERTIG BIST. Und Joey lächelt
ihn nur an, er könnte kein Wässerchen trüben. Er sagt, es ist nicht verboten,
dass er auszieht, und außerdem zieht er ja nur nach nebenan. Total vernünftig.
Ich wünschte, ich wäre mit sechzehn auch nur ansatzweise so klug und souverän
gewesen. Im Ernst, er ist wirklich ein toller Junge. Und Walter tat mir
irgendwie leid, weil er jetzt lauter so Zeug brüllte, von wegen, er bezahlt Joeys College nicht, und Joey darf nächsten Sommer nicht wieder nach
Montana,

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