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Franzen, Jonathan

Franzen, Jonathan

Titel: Franzen, Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freihheit
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war, sich als
Mensch selbst zu verwirklichen. Ganz besonders dankbar ist sie Sandra Mosher
von der North Chappaqua Middle School, Elaine Carver und Jane
Nagel von der Horace Greeley High School, Ernie und Rose
Salvatore vom Gettysburg Girls
Basketball Camp und Irene Treadwell von der University
of Minnesota. Von diesen wunderbaren Trainerinnen und Trainern
hat sie Disziplin, Geduld, Konzentration und Mannschaftsgeist sowie die Ideale
der sportlichen Fairness gelernt,
die ihr geholfen haben, ihr krankhaftes Konkurrenzdenken und geringes
Selbstwertgefühl auszugleichen.
    Ihre
Kindheit verbrachte Patty im Westchester County, New York.
Sie hat drei jüngere Geschwister, die dem, was ihre Eltern sich erhofft hatten,
näherkamen als sie. Sie war um einiges größer als die
anderen, noch dazu weniger besonders, noch dazu
deutlich dümmer. Nicht wirklich dumm, aber
vergleichsweise dümmer. Als sie ausgewachsen war, maß sie 1,76 m und damit
ungefähr so viel wie ihr Bruder und etliche Zentimeter mehr als die beiden
anderen, und manchmal wünschte sie, sie wäre noch auf 1,80 gekommen, denn in
die Familie würde sie ja doch nie passen. Wenn sie den Korb besser hätte sehen
und sich beim Angriff effektiver hätte anbieten oder in der Verteidigung
schneller hätte rotieren können, vielleicht wäre ihr Konkurrenzdrang dann nicht
ganz so verbissen gewesen und ihr Leben nach dem College glücklicher
verlaufen; wahrscheinlich nicht, aber ein interessanter Gedanke war es schon.
Später, als sie auf College-Ebene Basketball spielte, gehörte sie meistens zu
den Kleineren auf dem Feld, was sie auf merkwürdige Weise an ihre Stellung in
der Familie erinnerte und ihren Adrenalinspiegel auf dem Höchststand zu halten
half.
    Pattys erste Erinnerung an ein Mannschaftsspiel, bei dem ihre Mutter ihr
zusah, ist zugleich eine ihrer letzten. Sie besuchte damals ein Sportcamp für
gewöhnliche Sterbliche, das auf demselben Gelände stattfand, wo ihre beiden
Schwestern an einem Kunstcamp für außergewöhnliche Sterbliche teilnahmen, und
eines Tages erschienen ihre Mutter und ihre Schwestern zu den letzten Innings
eines Softballspiels. Patty ärgerte sich, weil sie als Left
Fielder untätig herumstand, während weniger begabte Mädchen Errors im Infield machten
und sie daraufwartete, dass endlich mal jemand einen Ball weit schlagen würde.
Nach und nach rückte sie immer weiter vor, und so endete das Spiel. Läuferinnen
auf der ersten und zweiten Base. Die Schlagfrau traf den Ball so, dass er
einmal aufsetzte und dann zu dem grauenhaft linkischen Mädchen auf der
Shortstop-Position flog, aber Patty stürzte sich dazwischen und schnappte ihr
den Ball vor der Nase weg, um selbst loszurennen, die vordere Läuferin
abzuschlagen und dann die andere zu jagen, irgendein süßes Ding, das
wahrscheinlich nur wegen eines Fielding Errors bis zur
ersten Base gelangt war. Patty hielt direkt auf sie zu, bis sie kreischend ins Outfield rannte, also den Basepfad verließ, sodass sie automatisch out war,
aber Patty verfolgte sie weiter und schlug sie ab, woraufhin sie sich krümmte
und schrie, weil die leichte Berührung mit einem Handschuh offenbar so
furchtbar wehgetan hatte.
    Patty
wusste, dass dies in puncto sportliche Fairness keine
Sternstunde von ihr gewesen war. Irgendetwas war über sie gekommen, weil ihre
Familie zugesehen hatte. Im Familienkombi fragte ihre Mutter sie mit noch
zittrigerer Stimme als sonst, ob sie denn ganz so ... aggressiv sein
müsse. Ob sie denn wirklich, na ja, so aggressiv sein
müsse. Wäre es so schlimm für Patty gewesen, den Ball auch mal an ihre
Mannschaftskameradinnen abzugeben? Patty erwiderte, sie habe auf der linken
Feldseite ÜBERHAUPT KEINEN Ball abgekriegt. Und ihre Mutter sagte: «Ich finde
es ja in Ordnung, dass du Sport treibst, aber nur, wenn du dabei auch
Gemeinschaftssinn und das Zusammenspiel mit anderen lernst.» Und Patty sagte:
«Dann schick mich in ein RICHTIGES Camp, wo ich nicht die einzige gute
Spielerin bin! Ich kann nicht mit Leuten zusammenspielen, die nicht in der
Lage sind, den Ball zu fangen!» Und ihre Mutter sagte: «Ich weiß nicht, ob es
ratsam ist, so viel Aggressivität und Konkurrenzdenken zu unterstützen. Gut,
ich bin kein Sportfan, aber ich begreife nicht, wie es Spaß machen kann, jemand
anderen nur um des Siegens willen zu besiegen. Wäre es nicht viel schöner, wenn
alle zusammenwirken würden, um gemeinsam etwas aufzubauen?»
    Pattys Mutter war eine Berufsdemokratin. Noch heute, zur

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