Franzen, Jonathan
jedoch arbeitslos und verbrachten ihre Zeit mit
Waffen und Verbrennungsmotoren, ergänzten den Speiseplan ihrer Familie mit
Wild, das sie tiefer in den Bergen schossen und auf Quads herausfuhren. Walter hatte schnell gehandelt und so viele Familien wie
möglich abgefunden, bevor die Stiftung Aufsehen erregte; für manche
Hanggrundstücke hatte er ganze 600 Dollar pro Hektar gezahlt. Doch als seine
Versuche, die dortige Umweltschutzgruppe für sich zu gewinnen, nach hinten
losgingen und eine erschreckend motivierte Aktivistin namens Jocelyn Zorn
Stimmung gegen die Stiftung machte, harrten noch immer über hundert Familien
aus, die meisten im Tal des Nine Mile Creek, das nach
Forster Hollow hinaufführte.
Von dem
Problem Forster Hollow einmal
abgesehen, hatte Vin Haven die
idealen 26000 Hektar für das Kernreservat ausfindig gemacht. Die
Oberflächenrechte lagen zu 98 Prozent in den Händen lediglich dreier
Unternehmen, zwei davon gesichtslose und ökonomisch rationale
Holdinggesellschaften, das dritte im Alleinbesitz einer Familie namens
Forster, die dem Staat schon vor über hundert Jahren den Rücken gekehrt hatte
und an der Küste ein Leben in Saus und Braus führte. Alle drei Unternehmen
nutzten das Land zu zertifizierter Forstwirtschaft und hatten keinen Grund, es
der Stiftung zu einem fairen Marktpreis zu verkaufen. Auch gab es unweit der
Mitte von «Hävens Gefilde» eine enorme, ungefähr sanduhrförmige Ansammlung sehr
ergiebiger Kohlenflöze. Da Wyoming County, selbst für
West Virginia, so abgelegen und bergig war, hatte bis dato niemand diese 6000
Hektar abgebaut. Eine einzige schlechte, schmale, für Kohlelaster unbefahrbare
Straße schlängelte sich entlang des Nine Mile Creek in die
Berge; am höchsten Punkt des Tals, nahe der Schmalstelle der Sanduhr, lag in
einer Senke Forster Hollow, Heimat des
Clans und der Freunde von Coyle Mathis.
All die
Jahre hatten Nardone und Blasco jeweils vergebens versucht, mit Mathis ins
Gespräch zu kommen, und ihre Bemühungen hatten ihnen dessen dauerhafte
Feindschaft eingetragen. Und so hatte Vin Haven den Kohleunternehmen während der ersten Verhandlungen als
wesentlichen Köder das Versprechen hinhalten können, ihnen das Problem Coyle
vom Hals zu schaffen. «Das ist ein Teil der wundersamen Synergie, die wir da
haben», hatte Haven zu Walter
gesagt. «Wir sind ein neuer Player, gegen den Coyle noch keinen Groll hegen
kann. Besonders Nardone habe ich an der Renaturierungsfront stark
heruntergehandelt, weil ich ihnen versprochen habe, sie von Mathis zu befreien.
Ein bisschen Entgegenkommen habe ich also schon mal dadurch geerntet, dass ich
nicht Nardone war, und das ist jetzt zwei Millionen wert.»
Schön
wär's gewesen!
Coyle
Mathis verkörperte in Reinform den negativen Geist des Hinterlands von West
Virginia. Er war konsequent darin, absolut niemanden zu mögen. Selbst als Feind
von Mathis' Feind wurde man doch nur zu einem seiner Feinde. Die
Kohleindustrie, die Bergarbeitergewerkschaft, die Umweltschützer, jede Art von
Regierung, die Schwarzen, die Yankees, die sich immer einmischten: Er hasste
sie alle gleichermaßen. Seine Lebensphilosophie war: Verpiss
dich, oder du wirst es bereuen. Sechs Generationen mürrischer
Mathis-Vorfahren lagen in dem Steilhang über dem Bach begraben, der mit als
erster gesprengt werden sollte, wenn die Kohleunternehmen kamen. (Niemand hatte
Walter vor dem Friedhofproblem in West Virginia gewarnt, als er die Stelle bei
der Stiftung antrat, aber natürlich hatte er das dann ganz schnell herausgefunden.)
Walter,
der selbst das eine oder andere über eine in alle Richtungen zielende Wut zu
sagen wusste, hätte Mathis vielleicht doch noch herumgekriegt, wenn er ihn
nicht so sehr an seinen Vater erinnert hätte. An dessen sturen,
selbstzerstörerischen Trotz. Walter hatte ein schönes Bündel attraktiver
Angebote im Gepäck, als er und Lalitha, nachdem sie auf ihre zahlreichen
freundlichen Briefe keine Antwort erhalten hatten, an einem warmen, strahlenden
Julimorgen ungeladen die staubige Straße im Nine-Mile-Tal hinauffuhren. Er war
bereit, dem Mathis-Clan und dessen Nachbarn bis zu 2500 Dollar pro Hektar zu
geben, dazu kostenloses Land in einer leidlich netten Senke am Südrand des
Reservats, plus Umzugskosten und Exhumierung mit Spitzentechnologie und
neuerlicher Bestattung sämtlicher Mathis-Gebeine. Doch Coyle Mathis hörte sich
die Einzelheiten gar nicht erst an. «Nein, N-E-I-N», sagte er und setzte noch
hinzu, er
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