Franzen, Jonathan
gefährdet gelisteten Arten noch nicht überschritten
hat, kann man diese Kurve trotzdem bis null weiterführen. Denn dahin geht sie:
auf null.»
«Schon.
Und trotzdem -»
«Und
trotzdem gibt es Arten, die schon näher an der Null sind. Das weiß ich. Und ich
hoffe zu Gott, jemand anderes nimmt sich ihrer an. Ich frage mich oft, würde
ich mir die Kehle durchschneiden, wenn man mir garantiert, dass ich dadurch
eine Art rette? Wir wissen alle, das Leben eines Menschen ist mehr wert als das
eines Vogels. Aber ist mein erbärmliches kleines Leben eine ganze Art wert?»
«Zum Glück
keine Entscheidung, die einem abverlangt wird.»
«In
gewisser Hinsicht stimmt das», sagte Haven. «Aber in
einem größeren Rahmen trifft jeder diese Entscheidung. Im Februar hat mich der
Direktor der National Audubon angerufen,
gleich nach seinem Amtsantritt. Der Mann heißt Martin Vogle, wenn das nicht
verrückt ist. So viel zum Thema richtiger Name für den Job. Martin Vogle fragt
mich also, ob ich ihm ein kleines Treffen mit Karl Rove im Weißen Haus arrangieren kann. Er sagt, er braucht nur eine Stunde,
um Karl Rove davon zu
überzeugen, dass es für die neue Regierung ein absolutes Plus ist, wenn sie den
Umweltschutz vorrangig behandelt. Sag ich zu ihm: Ich glaube, ich kann Ihnen
eine Stunde mit Karl Rove verschaffen,
aber davor tun Sie für mich Folgendes. Sie müssen einen namhaften unabhängigen
Meinungsforscher dazu bringen, eine Umfrage darüber zu machen, wie dringlich
das Umweltthema für Wechselwähler ist. Wenn Sie Karl Rove ein paar gute Zahlen zeigen, wird er ganz Ohr sein. Und Martin Vogle
überschlägt sich vor Dankbarkeit, danke, danke, phantastisch, betrachten Sie
das als erledigt. Und ich sage zu Martin Vogle: Nur noch eine Kleinigkeit:
Bevor Sie diese Umfrage in Auftrag geben und Rove zeigen, sollten Sie eine weitgehende Vorstellung davon haben, wie die
Ergebnisse aussehen. Das ist jetzt ein halbes Jahr her. Ich habe nie wieder von
ihm gehört.»
«Sie und
ich, wir sind in diesen Dingen politisch völlig auf einer Linie», sagte Walter.
«Kiki und
ich bearbeiten Laura, sooft wir können», sagte Haven. «Diese Richtung einzuschlagen könnte aussichtsreicher sein.»
«Das ist
toll, das ist unglaublich.»
«Es kann
aber dauern. Manchmal glaube ich, W. ist eher mit Rove als mit Laura verheiratet. Das haben Sie aber nicht von mir gehört.»
«Aber
warum der Pappelwaldsänger?»
«Ich mag
den Vogel. Ist ein hübscher kleiner Vogel. Wiegt weniger als das erste Glied
meines Daumens und fliegt jedes Jahr bis nach Südamerika und wieder zurück. Das
hat doch wirklich was. Ein Mann, eine Art. Reicht das nicht? Könnten wir nur
sechshundertzwanzig andere Männer zusammenbringen, dann käme auf jeden ein
nordamerikanischer Brutvogel. Hätten Sie das Glück, dass man Ihnen die
Wanderdrossel zuweist, brauchten Sie für ihren Schutz keinen Cent auszugeben. Aber
ich mag Herausforderungen. Und das Kohleland der Appalachen ist eine
Wahnsinnsherausforderung. Und das müssen Sie einfach akzeptieren, wenn Sie den
Laden für mich schmeißen wollen. Sie müssen für den Gipfelabbau aufgeschlossen
sein.»
In den
vierzig Jahren, die Vin Haven im
Öl/Gas-Geschäft war und eine Firma mit dem Namen Pelican
Oil leitete, hatte er Beziehungen zu praktisch jedem in Texas
geknüpft, den zu kennen sich lohnte, von Ken Lay und Rusty Rose bis zu Ann Richards und Father Tom
Pincelli, dem «Vogelpriester» des unteren Rio Grande. Besonders eng war er mit
den Leuten von LBI, dem Öldienstleister-Riesen, der sich wie sein Erzrivale
Halliburton unter den Regierungen Reagans und des älteren Bush zu einem der
führenden Militärdienstleister entwickelt hatte. Und an LBI wandte sich Haven wegen einer Lösung des Problems Coyle Mathis. Anders als Halliburton,
dessen ehemaliger Vorstandsvorsitzender jetzt als Vizepräsident das Land
regierte, bemühte sich LBI noch immer um einen direkten Zugang zur neuen Regierung
und war daher besonders gern bereit, einem engen persönlichen Freund von
George und Laura einen Gefallen zu tun.
Eine
Tochter von LBI, ArDee Enterprises, hatte unlängst einen dicken Auftrag über
die Lieferung hochwertiger Schutzwesten erhalten, deren schmerzliche
Notwendigkeit die amerikanischen Streitkräfte jetzt, wo immer mehr
improvisierte Sprengsätze an allen Ecken im Irak explodierten, zu spät erkannt
hatten. West Virginia, einem Staat mit billigen Arbeitskräften und laxen
Umweltvorschriften, der Bush/Cheney 2000 zu ihrem
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