Franzen, Jonathan
eines
Werbeprofis schmerzlich vermisste. Sie kamen auf Lonelier Planet, Frischere Luft, Gummis für alle, Koalition der
schon Geborenen, Freiraum, Lebensqualität, Erektino und Es reicht (was Katz
ganz gut gefiel, die anderen aber immer noch zu negativ fanden; er speicherte Enough
Already als möglichen künftigen Song- oder Albumtitel ab). Sie
erwogen Feed the Living, Seid
vernünftig, Oral total, Der bessere Weg, Kraft in kleineren Zahlen, Weniger ist
mehr, Leerere Nester, Wahre Liebe wartet, Für immer kinderfrei, Kein Baby an
Bord, Nähre dich selbst, Nicht austragen wagen, Entvölkern!, Aller guten Dinge
sind zwei, Vielleicht keins, Less Than Zero, Tritt auf
die Bremse, Zerschlagt die Familie, Ruhig Blut, Ellbogenfreiheit, Mehr Platz
für mich, Einzelkinder vor, Brüten? Nein danke, Mehrraum, Liebt, was da ist,
Seid unfruchtbar, Die letzte Generation, Kindern keine Chance, Zweierkern,
Vielleicht nie und Wozu die Eile? und verwarfen sie alle. Für Katz
veranschaulichte diese Übung die grundsätzliche Aussichtslosigkeit der
Initiative und auch die spezielle Abgeschmacktheit vorgefertigten Coolseins,
doch Walter leitete die Diskussion mit einer optimistischen Umsicht, die lange
Jahre in der künstlichen Welt von NGOs verriet. Und so unglaublich es war: Die
Dollars, die auszugeben er beabsichtigte, waren echt.
«Ich würde
sagen, wir nehmen Freiraum», sagte er schließlich. «Es gefällt mir, wie es der
anderen Seite das Wort klaut und sich die Rhetorik des gesetzlosen
Westens zu eigen macht. Wenn das zieht, kann es auch der Name einer ganzen
Bewegung sein, nicht nur der unserer Initiative. Der Freiraum-Bewegung.»
«Bin ich
hier die Einzige, die was Psychomäßiges mithört?», sagte Jessica.
«Das ist
gar keine so schlechte Konnotation», sagte Walter. «Wir wissen alle, wie es
ist, wenn man sich zu dicht auf der Pelle hockt. Weniger Leute auf dem
Planeten, bessere Entfaltungsmöglichkeiten? Das ist doch ein sehr
anschauliches Beispiel aus dem Alltag dafür, dass Überbevölkerung schlecht
ist.»
«Wir
sollten überprüfen, ob Freiraum schon als Wortmarke geschützt ist», sagte
Lalitha.
«Scheiß
auf den Markenschutz», sagte Katz. «Jede der Menschheit bekannte
Wortverbindung ist doch geschützt.»
«Wir könnten
das von großschreiben», sagte Walter. «So wie bei EarthFirst!, aber ohne das Ausrufezeichen. Sollten wir verklagt werden, könnten wir
uns dann darauf berufen. Das geht doch, oder? Der Großbuchstabe des Gesetzes?»
«Lieber
gar nicht erst verklagt werden, finde ich», sagte Lalitha.
Am
Nachmittag, nachdem sie Sandwiches bestellt und gegessen hatten und Patty nach Hause gekommen und wieder gegangen war, ohne bei ihnen
reingeschaut zu haben (Katz erhaschte einen kurzen Blick auf ihre schwarzen Fitnessclub-Empfangsdamen-Jeans,
als ihre Beine sich auf dem Flur entfernten), schmiedete das vierköpfige FreiRaum-Gremium
einen Plan für die fünfundzwanzig Sommerpraktikanten, mit deren Anwerbung und
Einstellung Lalitha schon begonnen hatte. Sie hatte sich ein Musik- und
Sensibilisierungsfestival vorgestellt, das im Spätsommer am Südrand des Waldsänger-Reservats
auf einer acht Hektar großen Ziegenfarm stattfinden sollte, die jetzt der
Stiftung gehörte - eine Vorstellung, an der Jessica sofort etwas auszusetzen
hatte. Ob Lalitha denn gar keine
Ahnung davon hatte, wie junge Leute neuerdings zur Musik stünden. Es reiche
nicht, irgendeinen großen Namen anzuschleppen! Man müsse zwanzig Praktikanten
in zwanzig über das gesamte Land verteilte Städte schicken, um dort lokale Festivals
zu organisieren - «einen Bandwettbewerb», sagte Katz. «Ja genau, zwanzig
verschiedene lokale Bandwettbewerbe», sagte Jessica. (Den ganzen Tag war sie
Katz gegenüber unterkühlt gewesen, schien jetzt aber dankbar für seine Hilfe,
Lalitha abzukanzeln.) Durch die Auslobung von Geldpreisen würden sie in jeder
der zwanzig Städte fünf tolle Bands anlocken, die alle um das Recht wetteifern
würden, ihre lokale Musikszene bei einem Bandwettbewerb in West Virginia zu
vertreten, und der würde sich, unter der Ägide von FreiRaum, ein ganzes
Wochenende lang hinziehen, unterstützt von ein paar großen Namen, die in der
Schlussjury sitzen und ihre Aura für die Umkehr des globalen Bevölkerungswachstums
einsetzen und es als uncool erscheinen lassen würden, Kinder zu bekommen.
Katz, der
selbst für seine Verhältnisse kolossale Mengen an Koffein und Nikotin
konsumiert hatte, geriet schließlich in
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