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Franzen, Jonathan

Franzen, Jonathan

Titel: Franzen, Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freihheit
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Und dann ...» Der Arzt lächelte in sich hinein. «Es gibt
einen alten Notaufnahmewitz über eine Mutter, die mit ihrem Kleinkind kommt,
das ein paar Cents verschluckt hat. Sie fragt den Arzt, ob es für das Kind
gefährlich ist, und der Arzt sagt zu ihr: es Ihnen richtig rausgibt.> Ein wirklich blöder Witz. Aber das wäre dann die
Prozedur, wenn Sie den Gegenstand haben müssen.»
    «Aber ich
meine eine, die Sie jetzt gleich anwenden können.»
    «Und ich
sage Ihnen, die gibt es nicht.»
    «Hey, Ihr
Witz war echt komisch», sagte Joey. «Hat mich
echt zum Lachen gebracht. Haha. Und Sie haben ihn auch echt gut erzählt.»
    Das
Honorar für die Beratung betrug 275 Dollar. Da er nicht versichert war - der
Commonwealth of Virginia
betrachtete eine Versicherung über die Eltern als eine Form finanzieller
Unterstützung -, musste er auf der Stelle Plastik zücken. Falls er nicht zufällig
Verstopfung bekam, was das Gegenteil des Problems war, das er mit Lateinamerika
assoziierte, konnte er sich jetzt auf einen sehr geruchsintensiven Beginn
seiner Tage mit Jenna freuen.
    Als er,
weit nach Mitternacht, wieder in seiner Wohnung war, packte er für seine Reise,
legte sich dann ins Bett und überwachte den Fortgang seiner Verdauung. Jede
Minute seines Lebens hatte er Dinge verdaut, ohne dem die mindeste
Aufmerksamkeit zu schenken. Wie merkwürdig der Gedanke, dass seine
Magenschleimhaut und sein rätselhafter Dünndarm ebenso Teile von ihm waren wie
sein Gehirn, seine Zunge oder sein Penis. Während er so dalag und sich mühte,
die feinen Klicks und Seufzer und Verschiebungen in seinem Bauch zu erspüren,
hatte er eine dunkle Ahnung von seinem Körper als einem längst verloren
geglaubten Verwandten, der am Ende einer langen, vor ihm liegenden Straße
wartete. Einem zwielichtigen Verwandten, den er erst jetzt zum ersten Mal
flüchtig sah. Irgendwann einmal, hoffentlich in weiter Ferne, würde er auf
seinen Körper bauen müssen, und irgendwann danach, hoffentlich in noch weiterer
Ferne, würde sein Körper ihn im Stich lassen, und er müsste sterben. Er stellte
sich seine Seele, sein vertrautes persönliches Ich, als rostfreien goldenen
Ring vor, der sich durch ein immer fremdartigeres und übler riechendes Land
seinen Weg bahnte, hin zum nach Scheiße stinkenden Tod. Er war allein mit
seinem Körper, und da er, seltsam genug, mit seinem Körper identisch war,
bedeutete dies, er war vollkommen allein.
    Er vermisste
Jonathan. Auf merkwürdige Weise war seine bevorstehende Reise ein schlimmerer
Verrat an Jonathan als an Connie. Ungeachtet der geringfügigen Störungen an
ihrem ersten gemeinsamen Thanksgiving waren sie
im Lauf der vergangenen zwei Jahre beste Freunde geworden, und erst in den
letzten Monaten, angefangen mit Joeys Geschäftsbeziehung
zu Kenny Barties und kulminierend in
Jonathans Aufdeckung seiner Reisepläne mit Jenna, hatte ihre Freundschaft
gelitten. Bis dahin war Joey immer
wieder angenehm von Beweisen dafür überrascht worden, wie aufrichtig Jonathan
ihm zugetan war. Ihm als Ganzem zugetan war, nicht nur den Teilen von ihm, die
er als halbwegs cooler UVA-Student für geeignet hielt, der Welt zu
präsentieren. Die größte und angenehmste Überraschung war gewesen, wie sehr
Jonathan Connie mochte. Man konnte sogar mit Fug und Recht behaupten, dass Joey ohne Jonathans Absegnung ihres Paarseins nicht so weit gegangen wäre,
sie zu heiraten.
    Von seinen
bevorzugten Pornoseiten abgesehen, die anrührend zahm waren im Vergleich zu
denen, an die Joey sich in
Augenblicken der Bedürftigkeit wandte, hatte Jonathan kein Sexleben. Gut, er
war ein ziemlicher Streber, aber noch viel größere Streber als er taten sich
mit jemandem zusammen. Bei Mädchen war er eben unrettbar linkisch, linkisch
bis zum Desinteresse, und Connie erwies sich, als er sie irgendwann
kennenlernte, als die eine Frau, in deren Gegenwart er sich entspannen und er
selbst sein konnte. Zweifellos war es nicht von Nachteil, dass sie so heftig und
ausschließlich in Joey verliebt
war, weil sie Jonathan dadurch nicht nur den Druck nahm, ihr imponieren zu
müssen, sondern auch die Befürchtung, sie könnte etwas von ihm wollen. Connie
verhielt sich ihm gegenüber wie eine ältere Schwester, eine viel nettere und
interessiertere ältere Schwester als Jenna. Wenn Joey lernte oder in der Bibliothek arbeitete, spielte sie mit Jonathan
stundenlang dessen Videospiele, lachte sympathisch, wenn sie verlor, und hörte
in ihrer

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