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Franzen, Jonathan

Franzen, Jonathan

Titel: Franzen, Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freihheit
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meinem Zimmer bin, aber manchmal vergesse ich es.»
    «Vergiss
es nicht. Das ist nicht gut.»
    «Ganz
ruhig, Baby. Carol fällt so
was nicht auf. Sie schaut mich nicht mal gerne an. Für uns ist der Anblick des
anderen unerfreulich.»
    «Wir
müssen aber wirklich vorsichtig sein, ja?»
    «Ich weiß
nicht.»
    «Nur noch
ein kleines bisschen länger», sagte er. «Nur bis ich es meinen Eltern sage.
Dann kannst du ihn tragen, sooft du willst. Vielmehr, wir beide tragen die
Ringe dann die ganze Zeit. Das habe ich gemeint.»
    Es war
schwierig, Schweigephasen zu vergleichen, aber die, die sie jetzt einsetzte,
wirkte besonders schmerzlich, besonders traurig. Er wusste, dass es sie
zermürbte, ihre Heirat geheim zu halten, und hoffte weiterhin, dass die
Aussicht, es seinen Eltern zu sagen, ihm bald weniger Angst machen werde, doch
im Lauf der Monate wurde die Angst nur größer. Er versuchte, sich den Ehering
auf den Finger zu schieben, aber er blieb am letzten Gelenk stecken. Er hatte
ihn in aller Eile gekauft, im August, in New York, und er war ein bisschen zu
klein. Dafür schob er ihn sich in den Mund, erforschte ihn mit der Zunge, als
wäre er eine von Connies Öffnungen,
und das erregte ihn ein wenig. Verband ihn mit ihr, führte ihn zurück in den
August und zu dem Irrsinn dessen, was sie getan hatten. Er schob sich den Ring,
spuckeglitschig, auf den Finger.
    «Sag mir,
was du anhast», sagte er.
    «Klamotten
eben.»
    «Was denn
so?»
    «Ach. Eben
Klamotten.»
    «Connie,
ich schwöre dir, ich sage es ihnen, sobald ich mein Geld gekriegt habe. Ich muss mich jetzt nur ein bisschen aufspalten. Dieser beschissene Auftrag
nervt mich total, und im Moment kann ich mich mit nichts anderem beschäftigen.
Sag mir jetzt einfach nur, was du anhast, ja? Ich will mir dich vorstellen
können.»
    «Klamotten.»
    «Bitte?»
    Aber da
weinte sie schon. Er hörte ein ganz schwaches Wimmern, das Mikrogramm eines
Kummers, den sie sich gestattete, hörbar werden zu lassen. «Joey», flüsterte
sie. «Baby. Es tut mir ja so leid. Ich glaube, ich kann das so nicht mehr.»
    «Nur noch
ein kleines bisschen länger», sagte er. «Warte doch wenigstens so lange, bis
ich von meiner Reise zurück bin.»
    «Ich weiß
nicht, ob ich das kann. Ich brauche jetzt irgendeine kleine Sache. Irgendeine
kleine Sache, die ... real ist.
Irgendwas, das mehr ist als nichts. Du weißt, dass ich es dir nicht
schwermachen will. Aber vielleicht kann ich es wenigstens Carol sagen? Ich will einfach, dass es jemand weiß. Sie muss mir dann schwören, dass sie es keinem weitersagt.»
    «Sie wird
es den Nachbarn weitersagen. Du weißt doch, was für eine Plaudertasche sie
ist.»

«Nein, sie muss es schwören.»
    «Und dann
ist jemand mit seiner Weihnachtspost zu spät dran», sagte er heftig, bedrückt
nicht von Connie, sondern von der Art, wie die Welt sich gegen ihn verschwor,
«und erwähnt es gegenüber meinen Eltern. Und dann - und dann -!»
    «Aber was
kann ich haben, wenn ich das nicht haben kann? Was für eine kleine Sache kann
ich haben?»
    Ihr
Instinkt muss ihr gesagt
haben, dass an seiner Reise nach Südamerika etwas faul war. Und er hatte jetzt
eindeutig Schuldgefühle, aber eigentlich nicht wegen Jenna. Seinem moralischen
Kalkül zufolge räumte ihm gerade seine Heirat mit Connie
das Recht ein, seine sexuelle Freiheit, die sie ihm vor langer Zeit gewährt und
nie ausdrücklich widerrufen hatte, ein letztes Mal ausgiebig zu nutzen. Sollte
es zwischen ihm und Jenna mächtig funken, würde er sich später damit befassen.
Was ihn jetzt belastete, war der Kontrast zwischen dem vielen, das er besaß -
ein unterschriebener Vertrag, der ihm 600000 Dollar netto einbringen sollte,
falls das mit Paraguay klarging, die Aussicht auf eine Woche im Ausland mit der
schönsten Frau, der er je begegnet war -, und der Nichtigkeit dessen, was er
momentan Connie bieten zu können glaubte. Schuldgefühle waren auch Bestandteil
seines Impulses gewesen, sie zu heiraten, aber fünf Monate später fühlte er sich
nicht weniger schuldig. Nervös zog er den Ehering vom Finger und steckte ihn
sich wieder in den Mund, umschloss ihn mit den Schneidezähnen, drehte ihn mit
der Zunge. Es überraschte ihn, wie hart achtzehn Karat Gold waren. Er hatte
geglaubt, Gold sei ein weiches Metall.
    «Erzähl
mir von was Schönem, das passieren wird», sagte Connie.
    «Wir
werden einen Haufen Geld verdienen», sagte er und schob den Ring mit der Zunge
hinter seine Backenzähne. «Und dann machen wir

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