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Franzen, Jonathan

Franzen, Jonathan

Titel: Franzen, Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freihheit
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nicht klappt, können wir es immer noch
verkaufen.»
    «Ich fahre
an den Wochenenden hin», sagte Walter. «Wie fändet ihr das? An den Wochenenden
kann doch Mitch meine
Aufgaben übernehmen, oder?»
    «Wenn du
das Mitch verklickern willst, bitte», sagte
Gene.
    «Ich bin
doch nicht sein Vater!»
    «Das
reicht jetzt», sagte Gene und verzog sich in die Lounge.
    Warum Gene Mitch das durchgehen ließ, war ziemlich
klar: Er sah in seinem ältesten Sohn eine nahezu exakte Nachbildung seiner
selbst, und er wollte ihn nicht so schikanieren, wie Einar früher ihn
schikaniert hatte. Dorothys Ängstlichkeit
gegenüber Mitch war da
schon ein größeres Rätsel für Walter. Vielleicht war sie schon so zermürbt von
ihrem Mann, dass sie einfach nicht mehr die Kraft oder den Mut hatte, auch noch
gegen ihren Sohn anzukämpfen, oder vielleicht sah sie Mitchs gescheiterte
Zukunft schon vor sich und wollte, dass er noch ein paar weitere Jahre der
Freundlichkeit zu Hause genoss, bevor die Welt ihm ihr hartes Gesicht zeigte.
Jedenfalls fiel es Walter zu, an Mitchs mit STP- und Pennzoil-Aufklebern
gepflasterte Tür zu klopfen und zu versuchen, seinem älteren Bruder ein Vater
zu sein.
    Mitch lag auf dem Bett, rauchte eine Zigarette und hörte auf der Anlage, die
er sich von seinem Werkstattlohn gekauft hatte, Bachman-Turner Overdrive. Das störrische Lächeln, das er Walter zuwarf, glich dem ihres Vaters,
nur dass es höhnischer war. «Was willst du denn?»
    «Ich will,
dass du ab sofort Miete zahlst oder hier mitarbeitest oder sonst
verschwindest.»
    «Seit wann
bist du denn der Boss hier?»
    «Dad hat
gesagt, ich soll mit dir reden.»
    «Sag ihm,
er soll selber mit mir reden.»
    «Mom will
das Haus am See nicht verkaufen, also muss sich was
ändern.»
    «Das ist
ihr Problem.»
    «Herrgott, Mitch, du bist der egoistischste Mensch,
der mir je begegnet ist.»
    «Ja, klar.
Du gehst nach Harvard oder sonst wohin, und ich muss mal den Laden hier übernehmen. Aber ich bin der Egoist.»
    «Das bist
du auch!»
    «Ich
versuche, ein bisschen Geld zu sparen, falls Brenda und ich es brauchen, aber
ich bin der Egoist.»
    Brenda war
das sehr hübsche Mädchen, dessen Eltern sie so gut wie verstoßen hatten, weil
sie mit Mitch zusammen
war. «Wie sieht denn dein großer Sparplan aus?», sagte Walter. «Jetzt eine
Menge Kram kaufen, den du später verpfänden kannst?»
    «Ich
arbeite hart. Was soll ich denn machen, nie was kaufen?»
    «Auch ich
arbeite hart, aber ich habe keinen Kram, weil ich nicht bezahlt werde.»
    «Und was
ist mit der Filmkamera?»
    «Die ist
von der Schule geliehen, du Blödmann. Die gehört mir
nicht.»
    «Also, mir
leiht niemand was, weil ich kein schmieriger Arschkriecher bin.»
    «Das heißt
noch lange nicht, dass du keine Miete zahlen oder wenigstens am Wochenende
helfen musst.»
    Mitch linste in seinen Aschenbecher wie in einen Gefängnishof voller
staubiger Häftlinge und überlegte, wie er noch einen dazustopfen könnte. «Wer
hat denn dich Jesus hier angestellt», sagte er wenig originell. «Mit dir muss ich nicht verhandeln.»
    Doch Dorothy weigerte sich, mit Mitch zu reden
(«Lieber verkaufe ich das Haus», sagte sie), und am Ende des Schuljahrs, das
mit dem Beginn der Hochsaison, soweit es für das Motel überhaupt eine gab,
zusammenfiel, beschloss Walter, das Thema zu forcieren, indem er in den Streik
trat. Solange er im Motel war, konnte er die Dinge, die getan werden mussten,
nicht einfach nicht tun. Er konnte Mitch nur
zwingen, Verantwortung zu übernehmen, indem er ging, also erklärte er, er werde
den Sommer im Haus am See verbringen, es herrichten und außerdem einen
experimentellen Naturfilm drehen. Sein Vater sagte, er habe nichts dagegen,
wenn er das Haus für den Verkauf in einen besseren Zustand bringen wolle, aber
verkauft werde es in jedem Fall. Seine Mutter bat ihn, sich das Haus aus dem
Kopf zu schlagen. Sie sagte, es sei eigennützig gewesen, so ein Aufhebens
darum zu machen, das Haus sei ihr egal, sie wolle
nur, dass alle miteinander auskämen, und als Walter sagte, er werde so oder so
hinfahren, rief sie, dass er es nicht tun würde, wenn ihm ihre Wünsche wirklich
etwas bedeuteten. Er aber war zum ersten Mal richtig wütend auf sie. Es spielte
keine Rolle, wie sehr sie ihn liebte oder wie gut er sie verstand - er hasste
sie, weil sie sich seinem Vater und seinem Bruder so demütig beugte. Es kotzte
ihn an. Von seiner besten Freundin, Mary Siltala, ließ er sich zum Haus am See
fahren, mit einem

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