Franzen, Jonathan
Kunstdünger, die eingefalteten Bussarde und kecken
Raben vorüber. Auf dem Platz neben ihm lagen der wachsende Päckchenberg aus
schon besuchten Häusern - skandinavische Backwaren, finnische und kroatische
Delikatessen, «Muntermacher»-Flaschen von Genes unverheirateten Freunden - und
der langsam kleiner werdende Haufen der Berglund'schen Dosen. Der wichtigste
Vorzug dieser Dosen war, dass sie das gleiche Naschwerk enthielten, das Gene
und Dorothy verteilten, seit sie verheiratet
waren. Das Naschwerk hatte sich mit den Jahren von einer Leckerei in die
Erinnerung an eine Leckerei verwandelt. Es war das alljährliche Geschenk, durch
das die armen Berglunds noch immer reich sein konnten.
Walter
beendete gerade sein vorletztes Jahr an der Highschool, als Dorothys Vater starb und ihr das kleine Haus am See hinterließ, in dem sie die
Sommer ihrer Mädchenzeit verbracht hatte. Walter assoziierte mit dem Haus die
Behinderungen seiner Mutter, denn dort hatte sie als Mädchen lange Monate gegen
die Arthritis gekämpft, deretwegen ihre rechte Hand verkümmert und ihr Becken
verformt waren. Auf einem niedrigen Bord am Kamin standen die traurigen alten
«Spielzeuge», mit denen sie einst stundenlang «gespielt» hatte - ein
nussknackerartiges Gerät mit Stahlfedern, eine Holztrompete mit fünf Ventilen
-, um die Beweglichkeit ihrer schlimmen Fingergelenke zu erhalten und zu steigern.
Die Berglunds hatten immer zu viel im Motel zu tun gehabt, um länger in dem
Häuschen zu bleiben, aber Dorothy mochte es,
träumte davon, sich dort mit Gene zur Ruhe zu setzen, sollten sie das Motel je
einmal loswerden können, und gab daher nicht sofort ihre Zustimmung, als Gene
vorschlug, es zu verkaufen. Gene ging es gesundheitlich schlecht, das Motel
war bis übers Dach mit Hypotheken belastet, und das bisschen Außenwirkung, die
es einmal besessen haben mochte, war durch die rauen Hibbinger Winter
inzwischen vollständig erodiert. Obwohl Mitch die Schule
hinter sich hatte, als Karosseriebauer und -lackierer arbeitete und noch immer
zu Hause wohnte, verpulverte er seinen Lohn für Mädchen, Alkohol, Waffen,
Angelzeug und seinen aufgemotzten Thunderbird. Gene hätte vielleicht anders
über das Haus gedacht, wenn es in dessen kleinem unbenanntem See Fische gegeben
hätte, die zu fangen lohnender gewesen wäre, als nur Sonnen- und Flussbarsche
zu angeln; da dem aber nicht so war, sah er keinen Sinn darin, an einem
Ferienhaus festzuhalten, zu dessen Nutzung ihnen ohnehin die Zeit fehlte. Dorothy, normalerweise ein Musterbild des resignierten Pragmatismus, wurde so
traurig, dass sie mehrere Tage das Bett hütete und über Kopfschmerzen klagte.
Und Walter, der bereit war, selbst zu leiden, es aber nicht aushielt, sie
leiden zu sehen, griff ein.
«Ich kann
den Sommer über in dem Haus sein und es herrichten, vielleicht können wir es
dann ja vermieten», sagte er zu seinen Eltern.
«Du musst
uns hier helfen», sagte Dorothy. «Ich bin
sowieso nur noch ein Jahr hier. Was wollt ihr denn machen, wenn ich weg bin?»
«Das
überlegen wir, wenn es so weit ist», sagte Gene.
«Früher
oder später müsst ihr jemanden einstellen.»
«Deshalb
müssen wir ja das Haus verkaufen», sagte Gene.
«Er hat
recht, Walter», sagte Dorothy. «Es fällt
mir schwer, auf das Haus zu verzichten, aber er hat recht.»
«Ja, und
was ist mit Mitch? Der könnte
doch ein bisschen Miete zahlen, dann könntet ihr davon jemanden einstellen.»
«Der steht
jetzt auf eigenen Füßen», sagte Gene.
«Aber Mom
kocht immer noch für ihn und macht seine Wäsche! Warum zahlt er nicht
wenigstens Miete?»
«Das geht
dich nichts an.»
«Aber Mom
geht das was an! Lieber verkaufst du Moms Haus, als
dafür zu sorgen, dass Mitch erwachsen
wird!»
«Das ist
sein Zimmer, und da werfe ich ihn nicht raus.»
«Meinst du
wirklich, wir könnten das Haus vermieten?», sagte Dorothy hoffnungsvoll.
«Wir
mussten es jede Woche putzen und Wäsche waschen», sagte Gene. «Das würde ewig
so weitergehen.»
«Ich
könnte doch einmal die Woche hinfahren», sagte Dorothy. «So schlimm wäre das nicht.»
«Wir
brauchen das Geld aber jetzt», sagte
Gene.
«Und wenn
ich das mache, was Mitch macht?»,
sagte Walter. «Wenn ich einfach nein sage? Was ist, wenn ich diesen Sommer einfach
ins Haus ziehe und es herrichte?»
«Du bist
nicht Jesus», sagte Gene. «Wir kommen hier auch ohne dich zurecht.»
«Gene, wir
könnten doch wenigstens versuchen, das Haus
nächsten Sommer zu vermieten. Wenn es
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