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Franzen, Jonathan

Franzen, Jonathan

Titel: Franzen, Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freihheit
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ich es gesagt.»
    «Ach, Carol, solche Dinge sind kompliziert. Und jetzt ist sie auch Connies Schwiegermutter. Ich hoffe nur, ihr beiden kriegt das irgendwie hin.»
    «Ha. Wegen
mir mach ich mir da keine Sorgen, wir müssen einander ja nicht sehen. Ich
hoffe nur, sie erkennt, was für ein goldenes Herz meine Tochter hat.»
    «Ich
jedenfalls erkenne das. Ich finde, Connie ist ein wunderbares Mädchen, mit
einer Menge Potenzial.»
    «Tja, du
warst auch immer der Nette von euch beiden. Du hattest immer selber ein
goldenes Herz. Ich habe es nie bedauert, deine Nachbarin zu sein, Walter.»
    Er
beschloss, Carol diese
Ungerechtigkeit durchgehen zu lassen, beschloss.sie auch nicht an die
Großzügigkeit zu erinnern, die Patty ihr und Connie über viele Jahre hin
erwiesen hatte, und dennoch war er Pattys wegen
traurig. Er wusste, wie bemüht sie gewesen war, sich von ihrer besten Seite zu
zeigen, und es bedrückte ihn, jetzt unter die vielen Leute eingereiht zu
werden, die nur ihre unglückliche Seite sehen konnten. Der Kloß in seinem Hals
war ein Beweis dafür, wie sehr er sie trotz allem noch liebte. Als er höflich
auf die Knie sank, um sich ein wenig mit den Zwillingen zu beschäftigen, wurde
er daran erinnert, wie viel ungezwungener als er sie immer mit kleinen Kindern
gewesen war, wie selbstvergessen mit Jessica und Joey, als die das Alter der
Zwillinge gehabt hatten; wie selig und versunken. Es war viel besser, fand er
nun, dass Lalitha nach West Virginia weitergefahren war und ihn allein an der
Vergangenheit leiden ließ.
    Nachdem er Carol entronnen war und Blakes kühlen
Abschiedsgruß so gedeutet hatte, dass der ihm sein Liberalsein noch immer
nicht verzeihen konnte, fuhr er nach Grand Rapids, kaufte auf dem Weg dorthin ein paar Lebensmittel ein und erreichte am
späten Nachmittag den Namenlosen See. Auf dem Nachbargrundstück, dem der
Lundners, stand, Unheil verkündend, ein zu VERKAUFEN -Schild, sein eigenes Haus aber hatte 2004 ebenso
mittelprächtig überstanden wie so viele andere Jahre zuvor. Der
Ersatzschlüssel hing noch immer an der Unterseite der alten, rustikalen
Birkenbank, und sich in den Räumen aufzuhalten, in denen seine Frau und sein
bester Freund ihn betrogen hatten, fand er nicht gar zu unerträglich; ausreichend
andere Erinnerungen stürzten lebhaft genug auf ihn ein, um sich zu behaupten.
Er harkte und fegte, bis es Nacht wurde, froh, zur Abwechslung einmal eine
handfeste Arbeit zu verrichten, dann rief er vor dem Schlafengehen noch Lalitha
an.
    «Es ist
der helle Wahnsinn hier», sagte sie. «Gut, dass ich
hergekommen bin und du nicht, du würdest dich bestimmt aufregen. Das ist hier
wie im Fort Apache oder so. Unsere Leute brauchen praktisch Personenschutz, um sich
vor den Fans zu retten, die schon früh eingetroffen sind. Anscheinend sind
sämtliche Idioten aus Seattle direkt hierhergekommen. Wir haben ein kleines
Zeltlager am Brunnen und dazu ein mobiles Klo, aber das wird schon von rund
dreihundert anderen belagert. Die sind überall auf dem Gelände, die trinken aus
dem Bach, in den sie gleich daneben reinscheißen, und sie bringen die
Einheimischen gegen sich auf. Entlang der Straße, die hierher führt, sind
überall Graffiti. Ich muss morgen
früh Praktikanten losschicken, damit sie sich bei den Leuten, deren Häuser
verschandelt sind, entschuldigen und ihnen anbieten, sie zu überstreichen. Ich
bin herumgegangen und habe denen gesagt, sie sollen mal ein bisschen
runterkommen, aber alle sind bekifft und haben sich auf vier Hektar
ausgebreitet, keiner sagt, wo es langgeht, es ist total unorganisiert. Dann ist
es dunkel geworden und hat zu regnen angefangen, und ich musste zurück in die
Stadt und mir ein Motel suchen.»
    «Ich kann
morgen hinfliegen», sagte Walter.
    «Nein,
komm mit dem Transporter. Wir müssen auf dem Gelände kampieren können. Im
Moment würdest du nur wütend werden. Ich kann damit umgehen, ohne mich allzu
sehr aufzuregen, und bis du hier bist, dürfte es schon besser geworden sein.»
    «Na gut,
aber fahr dort vorsichtig, ja?»
    «Mach
ich», sagte sie. «Ich liebe dich, Walter.»
    «Ich dich
auch.»
    Die Frau,
die er liebte, liebte ihn. Das wusste er genau, aber es war das Einzige, was er
genau wusste, damals wie später; die anderen wesentlichen Dinge blieben im
Dunkeln. Ob sie auch wirklich vorsichtig fuhr. Ob sie am nächsten Morgen auf
der regenglatten Landstraße zurück zur Ziegenfarm raste oder eben nicht raste,
ob sie die unübersichtlichen Bergkurven in

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