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Franzen, Jonathan

Franzen, Jonathan

Titel: Franzen, Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freihheit
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Nächsten Monat.»
    «Aber wir sind doch schon
hier. Es schadet nicht, zwei Tage freizunehmen und erst dann direkt nach
Wyoming County zu fahren.
Dann mussten wir nicht den ganzen Weg wieder herkommen. Das bringt doch nichts,
es sind zusätzliche dreitausend Kilometer.»
    «Warum
stellst du dich so an?», sagte sie. «Warum willst du dich nicht mit dem
befassen, was im Moment ansteht, und mit der Vergangenheit später?»
    «Weil wir
es so geplant hatten.»
    «Es war
ein Plan, kein Vertrag.»
    «Ja, und
ich mache mir wohl auch ein bisschen Sorgen um Mitch.»
    «Du hasst
Mitch doch!»
    «Das heißt
aber nicht, dass ich meinen Bruder auf der Straße leben lassen will.»
    «Schon,
aber ein Monat länger bringt ihn nicht um», sagte sie. «Wir können gleich
danach zurückfahren.»
    Er
schüttelte den Kopf. «Ich muss mir auch
mal das Haus ansehen. Da war seit einem Jahr keiner mehr.»
    «Walter,
nein. Es geht hier um dich und mich, es ist unser gemeinsames Ding, und das
findet jetzt statt, in diesem Moment.»
    «Wir
könnten auch den Transporter hierlassen und hinfliegen und einen Mietwagen
nehmen. Dann würden wir nur einen Tag verlieren. Und hätten immer noch eine
ganze Woche Zeit für die Logistik. Tust du das bitte für mich?»
    Sie nahm
sein Gesicht zwischen die Hände und sah ihn mit einem Border-Collie-Blick an.
«Nein», sagte sie. «Tu du das bitte für mich.»
    «Dann mach
du es», sagte er und entzog sich ihr. «Flieg du hin. Ich komme in ein paar
Tagen nach.»
    «Warum
stellst du dich so an? Ist es wegen Seth und Merrie?
Liegt es an denen, dass du zu sehr an die Vergangenheit denkst?»
    «So ist
es, ja.»
    «Dann
schlag es dir aus dem Kopf und komm mit. Wir müssen zusammenbleiben.»
    Wie eine
kalte Quelle am Grund eines wärmeren Sees wallte die alte, von schwedischen
Genen geförderte Depression in ihm auf: das Gefühl, eine Partnerin wie Lalitha
nicht verdient zu haben, das Gefühl, für ein Leben in Freiheit und
Outlaw-Heldentum nicht geschaffen zu sein, das Gefühl, einen öderen und
dauerhaft unbefriedigenden Zustand zu benötigen, um dagegen ankämpfen und sich
in ihm einrichten zu können. Und er erkannte, dass er allein schon dadurch,
dass er diese Gefühle hatte, im Begriff war, mit Lalitha einen neuen Zustand
der Unzufriedenheit zu schaffen. Und es war besser, dachte er deprimiert, dass
sie eher früher als später erfuhr, wie er wirklich war. Und seine
Seelenverwandtschaft mit seinem Bruder und Vater und Großvater verstand. Also
schüttelte er erneut den Kopf. «Ich halte an dem Plan fest», sagte er. «Ich
nehme für zwei Tage den Transporter. Wenn du nicht mitkommen willst, besorgen
wir dir ein Flugticket.»
    Hätte sie
da geweint, wäre womöglich alles anders gekommen. Doch sie war stur und
energisch und wütend auf ihn, und am Morgen fuhr er sie zum Flughafen und
entschuldigte sich, bis sie ihn bremste. «Schon gut», sagte sie, «ich bin
darüber weg. Heute Morgen beschäftigt mich das nicht mehr. Wir tun, was wir tun
müssen. Ich rufe dich an, wenn ich dort bin, und bald sehen wir uns wieder.»
    Es war ein
Sonntagmorgen. Walter rief Carol Monaghan
an und fuhr dann auf vertrauten Alleen nach Ramsey Hill. Blake hatte in Carols Garten
noch weitere Bäume und Büsche umgehackt, aber sonst hatte sich in der Barrier Street nicht viel verändert. Carol nahm
Walter herzlich in die Arme, drückte in einer nicht ganz verwandtschaftskompatiblen
Weise die Brüste an ihn, und dann machten der Vater und die Mutter, während die
Zwillinge in dem kindersicher umgestalteten Allzweckraum kreischend
umherrannten und Blake nervös aufstand und ging und zurückkam und wieder ging,
eine Stunde lang das Beste daraus, dass sie jetzt Schwiegerleute waren.
    «Ich
wollte dich unbedingt gleich anrufen, als ich es erfuhr», sagte Carol. «Ich musste mich buchstäblich auf die Hände setzen, um nicht deine
Nummer zu wählen. Ich habe nicht verstanden, warum Joey es euch nicht selber
sagen wollte.»
    «Ach,
weißt du, er hatte gewisse Schwierigkeiten mit seiner Mutter», sagte Walter.
«Und auch mit mir.»
    «Und wie
geht's Patty? Wie ich höre, seid ihr nicht mehr zusammen.»
    «Das ist
wohl wahr.»
    «Ich beiße
mir hier jetzt nicht auf die Zunge, Walter. Ich sage, was ich denke, auch wenn
ich damit immer Probleme kriege. Ich glaube, diese Trennung hat sich schon
lange abgezeichnet. Ich fand es immer schlimm, wie sie dich behandelt hat. Es
sah immer so aus, als müsste sich alles um sie drehen. Na
denn - jetzt hab

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