Franzen, Jonathan
England?»
«Tusse ist
ziemlich weithergeholt für Margaret Thatcher», sagte Walter. «Matrone trifft es
eher.»
«Wie
findest du das Wort ?», fragte Richard Patty.
«Ach, ich
bin da nicht so.»
«Walter
sagt, ich soll es nicht benutzen. Er findet es abwertend, dabei habe ich die
Erfahrung gemacht, dass die Tussen selbst sich gar nicht daran stören.»
«Es
klingt, als wärst du aus den Sechzigern», sagte Patty.
«Nach
einem Neandertaler klingt es», sagte Walter.
«Die
Neandertaler hatten angeblich sehr große Schädel», sagte Richard.
«Genau wie
Ochsen», sagte Walter. «Und andere Wiederkäuer.»
Richard
lachte.
«Ich
wusste nicht, dass außer Baseballspielern heute noch irgendwer Tabak kaut»,
sagte Patty. «Wie ist das so?»
«Du kannst
es gern probieren, wenn dir gerade nach Kotzen zumute ist», sagte Richard und
stand auf. «Ich haue jetzt wieder ab. Lass euch allein.»
«Warte,
ich möchte es mal probieren», sagte Patty.
«Gar keine
gute Idee», sagte Richard.
«Doch, ich
möchte es auf jeden Fall probieren.»
Die
Stimmung, in der sie sich mit Walter befunden hatte, war rettungslos dahin, und
jetzt wollte sie wissen, ob es in ihrer Macht stand, Richard zum Bleiben zu
bewegen. Endlich war ihre Chance gekommen, unter Beweis zu stellen, was sie
Walter seit dem Abend ihrer ersten Begegnung zu erklären versuchte - dass sie
nicht gut genug für ihn war. Außerdem war es natürlich eine Chance für Walter,
sich die Brille von der Nase zu reißen, sich teufelsgleich zu benehmen und
seinen Rivalen davonzujagen. Aber Walter wollte schon damals nur, dass Patty
bekam, was sie wollte.
«Lass sie
doch», sagte er.
Sie
schenkte ihm ein Lächeln. «Danke, Walter.»
Der Tabak
hatte Pfefferminzgeschmack und brannte fürchterlich am Gaumen. Walter brachte
ihr einen Kaffeebecher zum Hineinspucken, und dann saß sie wie ein
Versuchskaninchen auf dem Sofa, wartete darauf, dass die Wirkung des Nikotins
einsetzte, und genoss die Aufmerksamkeit, die ihr zuteilwurde. Aber Walters Aufmerksamkeit
war zugleich auf Richard gerichtet, und als ihr Herz zu rasen begann, schoss
ihr Elizas Behauptung durch den Kopf, Walter
stehe auf seinen Freund; sie erinnerte sich an Elizas Eifersucht.
«Richard
ist ganz begeistert von Margaret Thatcher», sagte Walter. «Er meint, dass sie
die Exzesse des Kapitalismus verkörpert, die unvermeidlich zu dessen
Selbstzerstörung führen werden. Ich vermute mal, er schreibt ein Liebeslied.»
«Du kennst
mich wirklich gut», sagte Richard. «Ein Liebeslied für die Lady mit dem
toupierten Haar.»
«Wir sind
verschiedener Auffassung, was die Wahrscheinlichkeit einer marxistischen
Revolution betrifft», erklärte Walter Patty.
«Mm»,
machte sie, während sie ausspuckte.
«Walter
glaubt, der liberale Staat kann sich selbst regulieren», sagte Richard. «Er
glaubt, dass das amerikanische Bürgertum freiwillig immer größere
Einschränkungen seiner persönlichen Freiheiten hinnehmen wird.»
«Ich habe
lauter fabelhafte Ideen für Songs, die Richard unerklärlicherweise alle
ablehnt.»
«Der
Kraftstoffverbrauch-Song. Der Öffentliche-Verkehrsmittel-Song. Der
Staatliche-Krankenversicherungs-Song. Der Babysteuer-Song.»
«Als
Inhalt von Rocksongs ist das alles weitgehend Neuland», sagte Walter.
«Two Kids Good,
Four Kids Bad.»
«Two Kids Good - No Kids
Better.»
«Ich sehe
die Massen schon auf die Straße strömen.»
«Du musst
eben unglaublich berühmt werden», sagte Walter. «Dann werden die Leute dir
zuhören.»
«Ich
schreib's auf meine Erledigungsliste.» Richard wandte sich Patty zu. «Und - wie
ist dir so?»
«Mm!»,
machte sie, während sie den Pfropf in den Kaffeebecher spuckte. «Ich weiß
jetzt, wie du das mit dem Kotzen meintest.»
«Nach
Möglichkeit nicht auf die Couch.»
«Geht es
dir gut?», sagte Walter.
Das Zimmer
verschwamm und pulsierte. «Ich begreife nicht, wie du dem was abgewinnen
kannst», sagte Patty zu Richard. «Kann ich aber.»
«Geht es
dir gut?», fragte Walter sie erneut. «Ja. Ich muss nur ganz still sitzen.»
Ihr war in
der Tat ziemlich übel. Sie konnte nichts weiter tun, als auf dem Sofa sitzen zu
bleiben und Walters und Richards Witzeleien und kleinen Wortgefechten über
Musik und Politik zuzuhören. Walter zeigte ihr geradezu enthusiastisch die
Traumatics-Single und brachte Richard dazu, beide Seiten auf der Anlage
abzuspielen. Der erste Song war «I Hate Sunshine»,
den sie im Herbst auf dem Konzert gehört hatte; jetzt kam er
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