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Franzen, Jonathan

Franzen, Jonathan

Titel: Franzen, Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freihheit
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Karrieren zu verhelfen, und noch dazu, wie Patty fand, eine
unterdurchschnittliche Mutter gewesen war, neigte Patty fast reflexhaft dazu,
Hausfrau und eine hervorragende Mutter werden zu wollen. «Ich möchte in einem
schönen alten Haus wohnen und zwei Kinder haben», sagte sie zu Walter. «Ich
möchte eine richtig gute Mutter werden.»
    «Willst du
nicht auch einen Beruf haben?»
    «Kindergroßziehen
wäre dann mein Beruf.»
    Er
runzelte die Stirn und nickte.
    «Siehst
du», sagte sie. «Ich bin nicht besonders interessant. Nicht annähernd so
interessant wie deine anderen Freundinnen.»
    «Das stimmt
überhaupt nicht», sagte er. «Du bist unglaublich interessant.»
    «Nett von
dir, dass du das sagst, aber nicht sehr einleuchtend.»
    «Meiner
Meinung nach steckt viel mehr in dir, als du es dir selbst zubilligst.»
    «Ich
fürchte, du hast ein ziemlich unrealistisches Bild von mir», sagte Patty. «Ich
wette, du kannst nicht eine einzige Sache nennen, die du an mir interessant
findest.»
    «Na,
zunächst mal wären da deine sportlichen Fähigkeiten», sagte Walter.
    «Dribbel,
dribbel. Das ist ja wahnsinnig interessant.»
    «Und dann
deine Art zu denken», sagte er. «Dass du diesen grässlichen Prof süß und
herzerweichend findest.»
    «Aber du
bist doch ganz anderer Meinung!»
    «Und wie
du über deine Familie sprichst. Was für Geschichten du von ihnen erzählst. Die
Tatsache, dass du so weit von ihnen entfernt bist und hier dein eigenes Leben
lebst. Das ist alles unglaublich interessant.»
    Patty
hatte noch nie mit einem Mann zu tun gehabt, der so offensichtlich in sie
verliebt war. Natürlich, worüber er und sie insgeheim redeten, das war Walters
Verlangen, sie zu berühren. Dennoch, je mehr Zeit sie mit ihm verbrachte, desto
klarer wurde ihr, dass man sie, obwohl sie nicht nett war - oder vielleicht gerade
weil sie nicht nett war: weil sie diesen krankhaften Konkurrenzdrang
hatte und es sie zu ungesunden Dingen hinzog -, tatsächlich interessant finden
konnte. Und Walter, der so leidenschaftlich auf ihrem Interessantsein bestand,
erzielte eindeutig Fortschritte in seinem Bemühen, sich seinerseits für sie
interessant zu machen.
    «Wenn du
so feministisch eingestellt bist», sagte sie, «warum ist Richard dann dein
bester Freund? Ist er nicht irgendwie respektlos gegenüber Frauen?»
    Walters
Gesicht verfinsterte sich. «Wenn ich eine Schwester hätte, würde ich jedenfalls
dafür sorgen, dass sie ihn nie kennenlernt.»
    «Warum?»,
sagte Patty. «Weil er sie schlecht behandeln würde? Tut er das?»
    «Nicht
vorsätzlich. Er mag Frauen. Er hat bloß einen ziemlichen Verschleiß.»
    «Weil wir
für ihn austauschbar sind, einfach bloß Objekte?»
    «Mit
politischen Anschauungen hat das nichts zu tun», sagte Walter. «Er ist für die
Gleichberechtigung. Es ist eher so etwas wie eine Sucht, oder besser: eine
seiner Süchte. Sein Vater war ja ein schwerer Trinker, und Richard trinkt
nicht. Aber es ist, wie wenn einer nach einem Gelage seine ganze Hausbar in
den Ausguss kippt. So ähnlich macht er es mit einer Frau, von der er genug
hat.»
    «Das
klingt ja furchtbar.»
    «Tja, die
Seite von ihm mag ich auch nicht besonders.»
    «Aber du
bist trotzdem mit ihm befreundet, obwohl du Feminist bist.»
    «Man hört
ja nicht auf, einem Freund die Treue zu halten, nur weil er unvollkommen ist.»
    «Nein,
aber man versucht ihm dabei zu helfen, dass er sich bessert. Man erklärt ihm,
warum das, was er tut, nicht geht.»
    «Hast du
das mit Eliza so gemacht?»
    «Hm, guter
Einwand.»
    Als sie
das nächste Mal mit Walter sprach, schlug er endlich eine richtige
Kino-und-Abendessen-Verabredung vor. Der Film (das war typisch für Walter)
kostete keinen Eintritt; es war ein griechischsprachiger Schwarzweißfilm mit
dem Titel Der Teufel von Athen. Während
sie, von leeren Plätzen umgeben, im Kino des Kunstseminars saßen und auf den
Beginn der Vorführung warteten, berichtete Patty ihm von ihren Sommerplänen,
die so aussahen, dass sie mit Cathy Schmidt in
deren Elternhaus außerhalb der Stadt wohnen, weiterhin zur Krankengymnastik
gehen und sich auf ein Comeback in der nächsten Saison vorbereiten würde. Aus
heiterem Himmel fragte Walter sie, dort in dem leeren Kino, ob sie nicht
vielleicht stattdessen Richards Zimmer übernehmen wolle, der nach New York
ziehe.
    «Richard
zieht weg?»
    «Ja»,
sagte Walter, «in New York spielt sich nun mal das interessante Musikleben ab.
Er und Herrera wollen die Band wieder auf die Beine

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