Franziskus, der neue Papst (German Edition)
Vatikan: Bescheidenheit, Demut und Einfachheit. Benedikt XVI. war ebenfalls ein einfacher Mensch, der wenig Aufheben um seine Person machte. Aber anders als sein Vorgänger paart Bergoglio diese Bescheidenheit und Demut mit einer natürlichen Offenheit für Menschen, er wirkt gewinnend. Während Benedikt XVI. als Kind die Zeit im Internat hasste, da er dort Teil einer riesigen Gemeinschaft war, und auch danach große Menschenmassen eher pflichtbewusst hinnahm, sucht Franziskus den Kontakt mit den Menschen. Die Begrüßungen mit seinen Kardinälen waren innige Umarmungen und sogar am Ende des historischen 13. März stieg Franziskus nicht in die für ihn bereitgestellte Limousine, sondern nahm den Gemeinschaftsbus mit den anderen Kardinälen, um zum Abendessen zurückzufahren. Man darf solche Gesten nicht überbewerten, denn auch die handelnden Akteure wissen um deren Symbolkraft und sind sehr wohl in der Lage, den Imagegewinn einzukalkulieren. Franziskus scheint indes tatsächlich die Demut und Bescheidenheit des heiligen Franz als Leitmotiv seines Lebens verinnerlicht und nun auch als Coporate Identity seines Dienstes als Papst gewählt zu haben, wie er in seiner Ansprache an die Medienvertreter am 16. März formulierte: »Franz von Assisi. Er ist für mich der Mann der Armut, der Mann des Friedens, der Mann, der die Schöpfung liebt und bewahrt. […] Ach, wie möchte ich eine arme Kirche für die Armen!«
Franziskus ’ Botschaft gilt der eigenen Kirche. Zugleich geht sie aber weit darüber hinaus.
In einer Zeit, in der das Christentum verkommerzialisiert wird, in der Gewinnstreben als christliche Tugend gilt, in der das Gleichnis von den Talenten wortwörtlich genommen wird und »Management-Kirchen« großen Zulauf haben, ist das auch eine Ansage an solche evangelikale Gruppen. Es ist, als würde Franziskus die Händler im Tempel Gottes verscheuchen und ihnen zurufen: Ihr habt die christliche Botschaft aus den Augen verloren! Ihr pervertiert das Evangelium, indem ihr es für eure Zwecke nutzt!
Der heilige Franziskus ist nicht ein Symbol der Bescheidenheit, der Evangelisierung und radikalen Christusnachfolge. Er steht auch für die Versöhnung mit der Natur und der Versöhnung mit den Menschen. Sein berühmter »Sonnengesang« ist eine Verneigung vor der Schöpfung und dem Schöpfer, so dichtete der heilige Franziskus: »Gelobt seist du, mein Herr, mit allen deinen Geschöpfen, zumal dem Herrn Bruder Sonne; er ist der Tag, und du spendest uns das Licht durch ihn. Und schön ist er und strahlend in großem Glanz, dein Sinnbild, o Höchster.« Franziskus gilt zudem als Tierfreund, oft wird er mit Vögeln und vor allem dem »Bruder Wolf« abgebildet. All das ist in einer Zeit, in der die Ökologie immer wichtiger wird und die »Bewahrung der Schöpfung« die Voraussetzung für das Überleben der Menschheit ist, eine programmatische Ansage. Sie verspricht, dass auch der neue Papst sich für Themen der Nachhaltigkeit oder Umweltschutzes einsetzen wird – allein biografisch ist das nachvollziehbar: Franziskus kommt aus Lateinamerika, einem Subkontinent mit atemberaubenden Landschaften, mit einer ungeheuren Artenvielfalt, mit den Regenwäldern als der »Lunge des Planeten«. Zugleich kennt er die Ausbeutung der Natur, das Zerstören der Schöpfung aus Gier und Geldgeilheit – der Name »Franziskus« lässt auf einen Papst hoffen, der die Kirche noch weiter zu einem Streiter für die Ökologie macht.
Die Versöhnung mit den Menschen betrifft den interreligiösen Dialog. Franz von Assisi wird von anderen Religionen anerkannt und geschätzt, nicht umsonst fanden die »Weltgebetstreffen für den Frieden« in Assisi statt. Der heilige Franziskus soll selbst den Dialog gesucht haben und während des Kreuzzugs von Damiette (1217–1221) in das Heerlager des Sultans Al-Kamil Muhammad al-Malik gegangen sein: »Dann predigte er dem Sultan mit Unerschrockenheit, Geisteskraft und Begeisterung den einen, dreifaltigen Gott und den Erlöser aller Menschen, Jesus Christus.« So berichtet es der Kirchenlehrer Bonaventura, Kardinal und Generalminister der Franziskaner, des Ordens des heiligen Franz. Diese Episode, sicherlich mit legendären Elementen ausgeschmückt, ist heute in vielerlei Hinsicht interessant: Einmal wird es sicherlich Papst Franziskus nicht so halten wie sein Namenspatron und versuchen, Muslime zu bekehren. Er wird einen angemessenen Dialog führen müssen, ohne jeden Versuch des Proselytismus. Zugleich aber ist das
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