Franziskus, der neue Papst (German Edition)
die zusammen mit praktischen Fragen der Vernunft, Entscheidungshilfen geben sollen – für einen Papst sicherlich keine ganz unwichtige Sache.
In den nächsten Wochen, Monaten und Jahren wird er viele Entscheidungshilfen brauchen, wird Franziskus oft eine »Scheidung der Geister« vornehmen müssen. Bereits jetzt sind erste Bedenkenträger aufgetaucht. Gleich nach Beginn taucht die, sicherlich nicht ganz unberechtigte, Frage auf, ob Franziskus nicht zu alt sei für den »schwierigsten Job der Welt«. Er sei nur ein Übergangspapst, so hieß es. Nun, manche Experten haben bereits darauf hingewiesen, dass fast alle letzten Päpste »Übergangspäpste« genannt wurden, daher sollte das nicht verwundern. Interessanter wird es sein, wie Franziskus mit der Möglichkeit des Rücktritts umgehen wird, die Benedikt XVI. so real gemacht hat. Die Tür aus dem Apostolischen Palast ist seit dem Rücktritt des deutschen Papstes nur angelehnt und kann nun viel leichter geöffnet und durchschritten werden. Andere Experten warnen, Bergoglio habe zwar eine große Diözese gemanagt und auch Erfahrung in vatikanischen Gremien gesammelt. Aber die Kurie zu leiten, sie gar zu reformieren, das sei eine ganz andere Sache. Dem Neuen fehle dafür der Stallgeruch – was genau andere wiederum als große Chance bezeichnen. Als wäre er ein Optimierer und Sanierer, ein Experte, der von außen zugezogen wird und daher unvoreingenommen handeln kann, kein ganz unrealistisches Szenario. Was genau kommen wird, bleibt vorerst Spekulation. Es bleibt vorerst eine Frage, auf die der neue Papst bereits eine Antwort gegeben hat: »Christus ist der Hirte der Kirche, aber seine Gegenwart in der Geschichte geht über die Freiheit der Menschen: Unter ihnen wird einer ausgewählt, um als sein Stellvertreter, als Nachfolger des Apostels Petrus zu dienen, doch Christus ist die Mitte, nicht der Nachfolger Petri – Christus. Christus ist die Mitte. Christus ist der Grund und Bezugspunkt, das Herz der Kirche. Ohne ihn gäbe es weder Petrus und die Kirche, noch hätten sie einen Grund zu bestehen.«
Papst Franziskus wird sich von der Gewissheit leiten lassen, dass er selbst leitet und dabei geleitet wird. Und er wird aus seinen Erfahrungen, die viele Päpste vor ihm nicht gemacht haben, heraus sein Amt verstehen. Aus den Ereignissen, die er »am anderen Ende der Welt« gemacht hat. Aus Erfahrungen wie die eingangs geschilderte mit der jungen Frau. Ihr Schicksal und das ihrer ungetauften Kinder hat Jorge Mario Bergoglio, den heutigen Papst Franziskus, lange beschäftigt. Für ihn war es ein Sinnbild dessen, was falsch in der Welt und der Kirche läuft. Eine Frau, die arbeitet und arbeitet und dennoch ihre Kinder kaum über Wasser halten kann. Die vielleicht nicht alles richtig im Leben gemacht hat, wer weiß das schon. Die sich aber ehrlichen Gewissens schwere Vorwürfe macht und daran leidet, ihrem Glauben folgen zu können. Deren soziale Not so groß ist, dass sie nicht einmal die Taufe ihrer Kinder angemessen organisieren kann. Und zugleich eine Kirche, nicht in diesem Fall, aber generell, die solche Frauen fortschickt. Die sich nicht als Nachfolger der Apostel, sondern als Moralapostel benimmt, die solchen Frauen oft sogar die Taufe verweigert – für Franziskus symptomatisch für das Leiden der Welt an der Kirche und umgekehrt: »In unserer Kirchenregion gibt es Priester, die Kinder von Singlefrauen nicht taufen, da sie nicht in der Heiligkeit der Ehe empfangen wurden«, erzählte er noch als Erzbischof einmal. Bergoglio redete sich fast in Rage, als er fortfuhr: »Und dieses arme Mädchen, das den Mut hatte, das Kind auszutragen, weil sie es ja nun nicht wie einen Brief dem Absender zurückschicken konnte, das muss nun von Pfarrei zu Pfarrei wandern und drum betteln, dass das Kind getauft wird! Diese Priester sind die Pharisäer von heute. Die, die die Kirche klerikalisieren. Die, die das Volk Gottes von der Erlösung abschneiden.«
Weshalb war Bergoglio damals so in Rage? Weil diese Priester, diese Pharisäer gegen das sind, was er als Papst Franziskus vorleben will. Das, was er beim deutschen Kardinal Walter Kasper in einem Buch gefunden hat und was »seine«, was die Kirche des neuen Papsts Franziskus prägen soll: »Das Spüren der Barmherzigkeit, dieses Wort, ändert alles. Es ist das Beste, was wir spüren können. Es ändert die Welt. Ein wenig Barmherzigkeit macht die Welt weniger kalt und gerechter.«
DAS BEDEUTET ER: DER PAPSTNAME UND DER
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