Franziskus, der neue Papst (German Edition)
schwer diese Aufgabe wiegt, das hat man Papst Benedikt XVI. angesehen. Seinem müden Gesicht und der Mühe, wie er als »Packesel Gottes« die Bürde getragen hat. Eine Bürde, die für Franziskus in der Zukunft nicht einfacher wird, im Gegenteil. Für Papst Franziskus stehen hunderte von neuen Aufgaben an, die an dieser Stelle nicht einmal im Ansatz alle genannt werden können.
Im folgenden Kapitel werden einige besonders brisante Herausforderungen thematisiert, andere wie die Christenverfolgungen, die Ökumene oder der interreligiöse Dialog nicht. Gerade das Gespräch mit den Konfessionen und Religionen ist unverzichtbar, auch aus weltpolitischer Sicht. Und die Tatsache, dass die Christen die meistverfolgte Religionsgemeinschaft der Welt sind, erschüttert und macht traurig. Die folgende Auswahl ist daher keine inhaltliche Präferenz, sondern der Tatsache geschuldet, dass bei den meisten der angeführten Herausforderungen neue Situationen eingetreten sind.
Es soll auch nicht ausführlich die besondere Situation besprochen werden, in der sich Franziskus als Nachfolger eines Papstes befindet, der nicht verstorben, sondern zurückgetreten ist. Franziskus muss die Situation meistern, nicht als Marionette Benedikts XVI. zu gelten – selbst wenn es mehr als unwahrscheinlich ist, dass dieser daran ein Interesse hätte, geschweige denn, dass er versuchen würde, im Hintergrund die Fäden zu ziehen – und andererseits neue Wege nicht als Düpierung seines Vorgängers erscheinen zu lassen. Er muss die Getreuen Benedikts XVI., und dieser hat eine ganze Reihe an Vertrauten in wichtige Positionen gebracht, allen voran seinen Privatsekretär Georg Gänswein als Präfekt des Päpstlichen Hauses, bei Laune halten und zugleich eine eigene Basis an Gefolgsleuten aufbauen, ohne die ein Papst nicht wirken kann. All das wird Menschenkenntnis, Augenmaß und Diplomatie von Papst Franziskus verlangen.
DIE KATHOLISCHE DEMOGRAFIE UND IHRE BEDEUTUNG
Kurz vor dem Konklave gab es endlich einmal eine klare Ansage. In einem Brief an die Kardinäle schrieb der Jesuit Pater James Martin: »Um die Angelegenheiten zu vereinfachen, möchte ich einen Kandidaten vorschlagen, an den ihr noch nie gedacht habt: Euer Mann ist der Unterzeichner dieses Briefes.«
Pater James Martin ist nicht Papst geworden, sondern sein Ordensbruder Jorge Mario Bergoglio. Ernst gemeint war der Brief natürlich sowieso nicht, aber dennoch interessant, weil der Jesuit zwölf Punkte anführte, die ihn seiner Sicht nach für das Papstamt qualifizieren würden. Mit einem ironischen Unterton geschrieben zwar. Jedoch nicht ohne Kriterien anzuführen, die tatsächlich wichtig für die momentane Situation der Kirche sind: »Ich habe in Afrika gearbeitet, in Kenia für zwei Jahre«, schrieb Pater Martin, daher: »Für alle diejenigen, die sich einen zukünftigen Papst aus der Dritten Welt wünschen würden, wäre ich ebenfalls gut.« »Und«, so der Jesuit, »ich spreche auch Spanisch und es gibt sehr viele spanischsprachige Katholiken.« Was Pater Martin auf humorvolle Weise thematisiert hat, ist für Franziskus Ernst geworden. Für ihn sind die demografischen und geografischen Veränderungen eine gewaltige Herausforderung. Franziskus I. hat das Leitungsamt einer Kirche übernommen, die alte Gebiete und Gewissheiten verliert und in anderen Gegenden neue Gegebenheiten vorfindet. Die Wahl des Argentiniers Jorge Mario Bergoglio ist nicht nur eine Sensation, sondern eine vor allem sehr realistische Wahl, zumindest in Bezug auf die Entwicklung der Kirche. Sie trägt der demografischen Dynamik Rechnung, die die Kirche erfasst hat. Diese Dynamik wirkt in zweifacher Weise: Sie wirkt in den Gebieten selbst, in denen Priester, Ordensleute und Laien durch die Verkündigung und die Diakonie die Gesellschaften selbst verändern. Diese Dynamik wirkt aber auch transformierend auf die Kirche selbst. Sie wird nicht umsonst mit einem Körper verglichen und theologisch als Leib Christi bezeichnet. Ungeachtet der theologischen Implikationen der »Leib Christi«-These, leuchtet das Bild von der Kirche als lebendigen Organismus ein. Und wie ein Körper auch wird die Kirche durch Veränderungen einzelner Teile auch im Ganzen verändert: In ihrem Selbstverständnis, ihrer Wahrnehmung und ihrem Wirken. Akzeptiert man, und für Christen ist das die Grundvoraussetzung, dass der Kirche etwas innewohnt, das nicht einfach von dieser Welt ist, so ergibt sich eine Spannung aus unveränderlichem Kern und
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