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Franziskus - Zeichen der Hoffnung: Das Erbe Benedikts XVI. und die Schicksalswahl des neuen Papstes (German Edition)

Franziskus - Zeichen der Hoffnung: Das Erbe Benedikts XVI. und die Schicksalswahl des neuen Papstes (German Edition)

Titel: Franziskus - Zeichen der Hoffnung: Das Erbe Benedikts XVI. und die Schicksalswahl des neuen Papstes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Englisch
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Amt. Aber das stimmte nur zum Teil. Papst Benedikt XVI . hatte neben der körperlichen Schwäche noch einen zweiten Grund genannt, und der ist weit überraschender als der erste. Im lateinischen Originaltext heißt es, dass »vigor quidam corporis et animae necessarius est«, dass also eine gewisse Kraft des Körpers (»corporis«) notwendig ist für sein schwieriges Amt, aber auch eine gewisse Kraft der Seele (»animae«), die er nicht mehr habe. Das war die Kraft, die dem Papst abhandengekommen war, und sie war ihm abhandengekommen, weil er allein gelassen worden war.
    Der Schock über den Rücktritt Papst Benedikts XVI . erfasste den Vatikan mit einer unglaublichen Wucht. Den Kardinälen war sofort klar, dass es eine Entscheidung Joseph Ratzingers war, die nicht nur sein künftiges Leben als zurückgetretener Papst betraf. Dieser Rücktritt bedeutete etwas Epochales, denn seine Worte, dass ab 20 Uhr des 28. Februar der Stuhl Petri frei sein würde, hatten auch das Amt des Papstes verändert. Die Entscheidung Ratzingers zum Rücktritt hätte eine völlig andere Bedeutung gehabt, wenn er der Nachfolger von Johannes Paul I. gewesen wäre, der 1978 plötzlich und unerwartet nach nur 33 Tagen im Amt friedlich verstarb. Bis zum letzten Tag war Papst Johannes Paul I. im Vollbesitz seiner Kräfte gewesen. Aber Benedikt XVI . war der Nachfolger Johannes Pauls II ., und das änderte alles. Nie zuvor in der zweitausendjährigen Geschichte der Päpste hatte ein Nachfolger des heiligen Petrus vor der Weltöffentlichkeit so drastisch und radikal aufgezeigt, was es bedeutete, Papst zu sein. Für Karol Wojtyła hieß das, auch unter extremen Bedingungen an dem Amt festzuhalten.
    Gemessen am körperlichen Zustand des Karol Wojtyła gegen Ende seines Pontifikates war Benedikt XVI . an seinem letzten Arbeitstag als Papst, am 28. Februar 2013, das blühende Leben. Wojtyła konnte am Ende nicht mehr sprechen, nicht einmal mehr die Worte des Urbi-et-Orbi-Segens am Osterfest 2005, ein Segen den nur ein Papst spenden kann, Ratzinger hingegen wandte sich bei seiner letzten Generalaudienz auf dem Petersplatz mit klarer Stimme an etwa 200 000 Gläubige. Wojtyła konnte keinen einzigen Schritt mehr gehen, ohne Rollstuhl und rollbaren Thron sich seit Jahren nicht mehr bewegen, Ratzinger hingegen stieg ohne fremde Hilfe nach der letzten Generalaudienz aus seinem Dienst-Jeep aus. Wojtyła litt an einer unheilbaren Krankheit, dem Parkinson-Syndrom, das ihn wie Espenlaub am ganzen Körper zittern ließ, Ratzinger hatte bis auf eine Behinderung an einem Auge keine erkennbaren Krankheiten.
    Wieso also war der eine Papst bis zum letzten Atemzug, obwohl in bedauernswertem Gesundheitszustand, in seinem Amt verblieben, während der Nachfolger wegen des schlichten Nachlassens seiner Kräfte ging? Hatte also der Vorgänger einen Fehler gemacht, oder hatte Papst Benedikt XVI . die Auffassung des Amtes missverstanden?
    Rein rechtlich war die Geschichte ganz klar: Das Kirchenrecht räumt in Abschnitt 332, Paragraf 2 dem jeweiligen Papst eindeutig das Recht zum Rücktritt ein, ohne irgendwem Rechenschaft ablegen zu müssen. Für einen frommen Mann ist dies aber nur die eine Seite der Medaille. Die zweite ist die des Glaubens. Nach dem Glauben der katholischen Kirche wählen nicht Menschen den Papst, sondern Gott bestimmt ihn. Es gibt ein deutliches Zeichen für diesen mystischen, eigenartigen Glauben: Wenn die Kardinäle ins Konklave ziehen, singen sie den Choral »Veni Creator Spiritus« – »Komm, Schöpfer Geist«, damit ihnen der Heilige Geist den richtigen Namen einhauche.
    Wenn also nach Auffassung der römisch-katholischen Kirche der Heilige Geist beim Konklave seine Hand im Spiel hat, dann lässt sich nachvollziehen, dass ein Papst eine solche Wahl außerordentlich ernst nehmen muss, so ernst, dass er seinen Dienst bis zum bitteren Ende versieht. Wenn ein Papst glaubt, dass Gott ihn in dieses Amt bestellt hat, dann wirft man Gott natürlich den Krempel nicht einfach vor die Füße und erklärt ihm: Ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr, such dir jetzt einen anderen! Dieser Auffassung war wohl Karol Wojtyła gewesen, als er erklärte, dass, was auch immer geschehen möge, er »vom Kreuz nicht herabsteigen« und seinen Leidensweg zu Ende gehen wolle, wie Christus. Mit dieser Haltung schuf er sich eine Menge Bewunderer, aber auch Feinde im Vatikan. Viele Kardinäle hielten es für vermessen, dass Karol Wojtyła sich mit dieser Erklärung in seinem

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