Französische Nächte: Erotischer Roman (German Edition)
sie.
»Eine Domina? War sie zufälligerweise Norbert Bruyeres Geliebte?«, hakte er nach.
»Ja«, bestätigte Oruela. Sie war angespannt, als ginge es bei jedem ihrer Worte um Leben und Tod. Aber er lächelte wieder.
»Was für eine Ironie«, meinte er.
»Wie meinst du das?«
»Ich hatte den Eindruck, dass Geneviève und Norbert Bruyere nie Sex hatten.«
»Hatten sie auch nicht«, bestätigte Oruela. »Woher weißt du das?«
Paul berichtete ihr, wie er im Badezimmer eingesperrt gewesen war und wie sie den Polizisten mit seiner eigenen Pfeifenkette ausgepeitscht hatte.
»Da fragt man sich doch«, sagte Oruela, als sie endlich aufgehört hatte zu lachen, »wie diese beiden all die Jahre zusammenleben konnten, ohne einander wirklich kennenzulernen. So könnte ich nicht leben, selbst wenn es mir noch so viel Sicherheit bieten würde. Ich möchte die Liebe erkunden mit dem Mann, den ich …« Ihre Stimme brach ab, und sie aß weiter.
»Könntest du dir vorstellen, einen Mann zu fesseln und ihn auszupeitschen?«, wollte Paul wissen, während er das Fleisch mit der winzigen Silbergabel aus einer Schere zog.
»Nein«, antwortete Oruela und saugte das Fleisch heraus. »Ich habe für den Rest meines Lebens genug Bestrafungen gesehen. Und mir missfällt der Gedanke, dass alles in festen Bahnen laufen muss. Im Gefängnis haben die Huren von Männern erzählt, die immer eine bestimmte Prozedur verlangt haben, von der sie niemals abwichen. Nur so kamen sie jedes Mal auf ihre Kosten! Dieser Gedanke ist furchtbar. Der einzige Weg zum Kind in seinem Inneren, zu dem menschlichen Wesen, das frei, sinnlich und lebendig ist, führt über einen winzigen Riss in dem Felsen, unter dem es begraben ist. Es gibt Punkte, die man einhalten muss: Schmerz, Furcht, Erniedrigung … schrecklich.
Ich möchte erwachsene Empfindungen. Ich möchte all die verschiedenen Farben und Klänge der Liebe spüren. Ich möchte Breite und Tiefe, die Gerüche und Geschmäcker, die nur darauf warten, entdeckt zu werden.«
Sie bemerkte, dass Paul sie auf eine Weise ansah, wie es nur ein verliebter Mann tat.
Nach dem Essen gingen sie ein Stück unter den Felsen am Strand spazieren, während die Dunkelheit ihre Körper verschlang und das Geräusch der Wellen eine beschwingte Hintergrundmelodie für ihre Unterhaltung abgab. Unter dem Halbmond sprachen sie über alles. Er erzählte ihr von den Fotos, die er verkauft hatte, und sie hörte ihm aufgeregt zu, als er sie beschrieb. Doch sie hatten keine Eile. Sie hatte das Gefühl, bloß warten zu müssen. Und sie musste warten. Er musste zu ihr kommen. Sie wusste, dass er letzten Endes kommen würde.
Sie gingen zum dunklen Strand hinunter und gingen eine Weile barfuß, bis er sie fragte, ob sie müde wäre. Das war sie, aber sie wollte auch, dass diese Nacht niemals aufhörte.
Auf dem Rückweg bemerkte sie, dass er sie erneut beobachtete, und wenn sie ihn ansah, fiel ihr Blick auf seine Lippen.
Sie waren weich und voll, als sie auf die ihren trafen. Er hielt sie fest in den Armen, und ihre Brüste pressten sich an seine Brust. Ihre Hände spürten seinen Rücken unter seinem dünnen Hemd. Er fühlte sich gut an.
Sie küssten sich lange, kosteten die Haut des anderen, strichen sich übers Haar und berührten den Körper des anderen sanft mit ihren Händen. Dabei blieben sie anständig. Er fasste ihre Brüste nicht an, sie nicht seinen Hintern. Es kam ihnen so richtig vor. Sie hatte sich nie dermaßen romantisch gefühlt.
Schließlich trennten sie sich voneinander und gingen am Strand entlang zurück, ohne viel zu sagen. Sie hielten einander an den Händen.
Dann sagte er: »Ich kann dir nicht viel anbieten, Oruela, zumindest nicht in materieller Hinsicht.«
Sie hielt den Atem an. Das klang fast so, als wolle er auf etwas anderes hinaus. Das war zu früh. Beinahe hätte sie »Nicht!« gesagt, aber zum Glück konnte sie es gerade noch verhindern. Er war nicht so einfach gestrickt. »Aber ich habe vielleicht die Chance, in Paris Geld zu verdienen«, fuhr er fort. »Ich hätte schon vor langer Zeit hinziehen sollen, aber ich bin irgendwie hier nicht weggekommen. Wenn du dort wärst …« Er sprach nicht weiter.
»Oh, das wäre wunderbar!«, rief Oruela und vergaß sich.
»Das wäre es«, bestätigte er grinsend.
Am nächsten Tag kam Michelle zu Besuch. Oruela bemerkte, dass sich ihre Freundin verändert hatte. Sie war viel selbstsicherer. Sie hielt sich aufrechter, ihre Haltung hatte sich verbessert, und
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