Franzosenliebchen
das
allerdings anders. Er finanzierte die Berufskleidung seiner Gigolos
vollständig aus eigener Tasche, um deren Motivation zu
steigern. Außerdem zahlte er mehr als seine Konkurrenten.
Deshalb waren im Stillen Eck auch nur die Besten der Branche
tätig.
»Irgendeine Naht
gerissen, fehlt ein Knopf?«, erkundigte sich John.
»Nein. Der Anzug
ist wie neu.«
»Prima. Dann
muss ich also nur noch einen neuen Gigolo suchen, der in etwa deine Figur
hat. Aber das dürfte nicht so schwierig
sein.«
»Glaube ich
auch. Wo steckt eigentlich Thomas? Ich wollte mich von ihm
verabschieden.«
John schaute in das
Halbdunkel des Lokals. »Eben war er noch da. Tisch
vier.«
Goldstein drehte sich
um, konnte aber seinen Kollegen nicht entdecken. Neben Tisch vier
stand immerhin ein Sektkühler, ein untrügliches Zeichen
dafür, dass der Platz besetzt war. »Wenn du nichts
dagegen hast, bleibe ich noch ein wenig, bis Thomas wieder
zurück ist.«
»Warum sollte
ich etwas dagegen haben?« John zögerte einen Moment.
»Arbeiten willst du vermutlich heute nicht?«
»Nein.«
»Na ja, macht
nichts. Betrachte dich trotzdem als eingeladen. Du bist heute Abend
mein Gast.«
»Danke.«
»Keine Ursache.
Was möchtest du trinken?«
*
Es dauerte fast eine
halbe Stunde, bis Thomas Beer wieder auftauchte, eine ziemlich
aufgetakelte Brünette an der Seite, die sich laut kichernd
bemühte, ihr Haar und ihre in Unordnung geratene Garderobe zu
richten. Beer entdeckte seinen Kollegen, flüsterte seiner
Tischdame etwas ins Ohr und steuerte dann auf Goldstein
zu.
»Was machst du
denn heute hier?«, erkundigte sich Beer, als er neben
Goldstein an der Theke stand.
»Ich verlasse
Berlin.«
»Oh!« Beer
wirkte ehrlich bestürzt. Sie hatten sich vor etwa zwei Jahren
auf einer Versammlung früherer Freikorpskämpfer
kennengelernt. Später hatte Beer Goldstein die Stelle im
Stillen Eck vermittelt. Er trug seine Arbeitskleidung. Ein
schwarzer Zweireiher, dessen Stoff an den Ellenbogen der
Jackenärmel schon etwas abgeschabt wirkte, was aber im
Dämmerlicht des Lokals nicht weiter auffiel, ein frisch
gestärktes weißes Hemd, eine dunkle Krawatte und aus der
Brusttasche seiner Anzugsjacke schaute ein gefaltetes, ebenfalls
weißes Seidentüchlein hervor. Seine Füße
zierten ein Paar auf das Sorgfältigste polierte Lederschuhe.
Nur seine dunklen, zerzausten Haare wollten nicht so recht zum
ansonsten makellosen Aussehen passen.
»Wohin gehst
du?«
»Das kann ich
nicht sagen.«
»Dienstlich?«
Goldstein
nickte.
»Wann?«
»Montag.«
»Fährst du
weit weg?«
Peter Goldstein
schüttelte den Kopf.
»Verstehe. Dann
will ich dich nicht weiter drängen.«
Aus den Augenwinkeln
bemerkte Goldstein, dass die Brünette vom Tisch vier
schmachtende Blicke zu ihnen herüberwarf. »Deine
Tischdame scheint ungeduldig zu werden«, raunte
Goldstein.
Beer zuckte nur mit
den Schultern. »Was soll´s. Sie hatte ihr
Vergnügen, hat bezahlt. Was will sie mehr?«
Goldstein ahnte, was
Beer meinte. Die Eintänzer wurden vom Lokal bezahlt. Von den
Kundinnen direkt Geld zu nehmen, war ihnen strengstens
untersagt.
»Guck nicht so
kritisch. Sie hat gefragt und ich habe es ihr besorgt. Was ist
schon dabei?« Sein Freund grinste anzüglich. »Wenn
man dich so ansieht, könnte man fast glauben …«
Er zögerte. »Das kann doch nicht sein! Du hast
tatsächlich noch nie eine deiner Damen glücklich
gemacht?«
Bevor Goldstein
antworten konnte, lachte Beer laut auf. »Nein, du hast
tatsächlich noch nicht.«
Goldstein fühlte
sich ertappt. Natürlich wusste er, dass sich nicht jeder der
Eintänzer an Johns Regeln hielt. Und vereinzelt war es auch
vorgekommen, dass eine Dame, die am Abend allein das Lokal betreten
hatte, es früh am Morgen mit einem der Gigolos an der Seite
verlassen hatte. Sofern die Arbeitszeit des jeweiligen
Eintänzers tatsächlich beendet war, sagte John in solchen
Fällen nichts. Goldstein aber war trotz vieler eindeutiger
Angebote den Regeln treu geblieben, auch wenn er sich manchmal
deshalb über sich selbst geärgert
hatte.
John, dem das einsame
Winken von Beers Tischdame ebenfalls aufgefallen war, trat zu den
beiden Freunden. »Thomas, ich bezahle dich nicht dafür,
dass du unsere Kundinnen allein lässt. Da vergessen sie, zu
trinken. Also sieh zu, dass du zurück an deinen Tisch
kommst.«
Beer hob
entschuldigend beide Hände. »Bin schon weg. Peter, in
vier Stunden habe ich Feierabend. Lass uns richtig Abschied feiern.
Aber nicht
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