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Franzosenliebchen

Franzosenliebchen

Titel: Franzosenliebchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Zweyer
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Sollé wegen des Verdachts auf
gemeinschaftlich begangenen Raubmord. Den Vorsitz in dieser
Verhandlung führte ein französischer Colonel, die Anklage
wurde vertreten durch einen französischen Offizier,
Verteidiger war ebenfalls ein französischer
Militärangehöriger. Immerhin wurde einem Vertreter der
deutschen Behörden die Teilnahme an der Verhandlung
gestattet.
    Der gesamte Prozess
dauerte nicht länger als sechzig Minuten. Die Anklageschrift
umfasste eine halbe Seite und wurde trotzdem nur teilweise
verlesen. Der abschließende, von den Franzosen selbst in
Auftrag gegebene medizinische Untersuchungsbericht lag zum
Zeitpunkt des Prozesses noch nicht vor. Das Gericht trat trotzdem
in die Zeugenvernehmung ein. Zunächst wurden die beiden
Schutzpolizisten, die den Tatort untersucht hatten, gehört,
ihre Aussage jedoch nicht vollständig übersetzt. Dann
wurde den beiden Angeklagten das Wort erteilt. Sie behaupteten,
dass ihre beiden Koppel nach wie vor
in ihrem Besitz seien. Diese Aussage bestätigte ihr
Vorgesetzter, der Sous-Lieutenant Pirrot. Außerdem
hätten sie zu keinem Zeitpunkt ihre Posten am Bahnhof
verlassen. Das Gericht gab sich mit diesen Aussagen zufrieden und
verkündete den Freispruch unmittelbar im Anschluss an das
Plädoyer der Verteidigung. Beide Soldaten absolvieren immer
noch ihren Dienst im Infanterieregiment 147, das Herne und die
angrenzenden Gemeinden besetzt hält.  
    *
    Goldstein legte die
Papiere beiseite und bestellte sich ein weiteres Bier, obwohl er
sich das finanziell eigentlich nicht erlauben konnte. Worauf hatte
er sich da eingelassen?

11
    Mittwoch, 14. Februar
1923
    Das sonnige, aber
frostige Winterwetter, das seit nun schon über einer Woche
anhielt, hatte den Boden auf dem Friedhof in Vellwig steinhart
werden lassen. Die Totengräber hatten fast doppelt so lange
wie sonst benötigt, um die Grube auszuheben. Die obersten
Erdschichten bis zu einer Tiefe von etwa dreißig Zentimetern
waren so fest gefroren, dass es selbst mit der Spitzhacke
Schwerstarbeit war, den Boden aufzulockern.
    Die Trauerfeier
für Agnes Treppmann geriet zum stillen Tribunal gegen die des
Mordes verdächtigten Soldaten. Obwohl der Pfarrer einen
direkten Hinweis auf die Franzosen vermied, wusste jeder
Kirchenbesucher, wen der Geistliche meinte, als er von dem Schaf
sprach, welches den Wölfen zum Fraß vorgeworfen worden
war. Mit versteinertem Gesicht verfolgten Erna und Hermann
Treppmann die Predigt, während Lisbeth ohne Unterlass
hemmungslos schluchzte. Das Gotteshaus war bis auf den letzten
Platz gefüllt. Nicht alle Anwesenden hatten Agnes
persönlich gekannt, viele Herner sahen in der jungen Frau ein
Opfer der französischen Besatzungsmacht und die meisten
wollten durch ihr Kommen ihrer Empörung Ausdruck
verleihen.
    Einzelne Schläge
der Friedhofsglocke begleiteten Agnes schließlich auf ihrem
letzten Weg. Der nicht enden wollende Trauerzug wurde
argwöhnisch beäugt von einem Trupp französischer
Militärs, die in Sichtweite der Kapelle Aufstellung genommen
hatten, um mögliche antifranzösische Kundgebungen schon
im Ansatz zu unterbinden.
    Einer Statue gleich
nahm Erna Treppmann neben dem offenen Grab die Beileidsbekundungen
entgegen. Ihr Dank erschöpfte sich in einem kurzen Blick in
die Gesichter ihrer Gegenüber und einem kaum wahrnehmbaren
Nicken des Kopfes. Hermann Treppmann hingegen sah mit Tränen
in den Augen zu Boden, ergriff hastig die ihm gereichte Hand und
murmelte eine knappe Danksagung, viele Dutzend Mal die gleichen
Worte und Bewegungen.
    Lisbeth war nach wie
vor nicht in der Lage, die Menschen um sie herum wahrzunehmen. Von
Weinkrämpfen geschüttelt stand sie, auf Wilhelm Gleisberg
gestützt, etwas abseits, bis die Zeremonie vorüber war.
Zu Hause nahm sie nicht an dem Trauerkaffee teil, sondern zog sich
sogleich in das Zimmer zurück, das sie nun allein
bewohnte.
    Nachdem die
männlichen Trauergäste die Kaffeetasse durch das
Schnapsglas ersetzt hatten, stand Hermann Treppmann von seinem
Platz im Wohnraum auf und suchte die Nähe Wilfried Saborskis,
der in der Küche mit anderen Nachbarn in ein Gespräch
vertieft war.
    »Kann ich dich
einen Moment sprechen?«, unterbrach Treppmann die
Unterhaltung.
    »Du immer. Worum
geht es?«, erkundigte sich Saborski.
    »Das möchte
ich dir unter vier Augen sagen. Kommst du mit?« Er griff
Saborski an der Anzugjacke und zog ihn Richtung Kellertür.
»Lass uns nach unten gehen. Dort sind wir
ungestört.«
    Der Keller war, wie in
fast allen

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