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Franzosenliebchen

Franzosenliebchen

Titel: Franzosenliebchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Zweyer
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Kneipe war nicht
zufällig?«
    Goldstein
nickte.
    »Sicherheitshalber habe ich
dieses Lokal seitdem gemieden. Kompliment: Ihre Lügen klangen
sehr glaubwürdig.«
    »Es war nicht
alles gelogen. Meine Mutter war tatsächlich Französin.
Aber sie ist, wie mein Vater auch, eines natürlichen Todes
gestorben.«
    Solle winkte ab.
»Ich will nicht wissen, was von Ihren Geschichten stimmt und
was nicht. Das ist mir egal. Lassen Sie uns zur Sache kommen. Wir sollten
das hier nicht in die Länge ziehen. Denn wenn wir gemeinsam
entdeckt werden, finde ich mich, schneller, als ich denken kann, in
einer Sträflingskolonie wieder. Verurteilt zu
lebenslänglicher Zwangsarbeit. Das möchte ich vermeiden.
Also, was wollen Sie wissen?«
    Ohne Umschweife fragte
Goldstein: »Haben Sie etwas mit der Ermordung Agnes
Treppmanns zu tun?«
    Ebenso spontan und
überzeugend erfolgte die Antwort: »Nein. Nicht das
Geringste.«
    »Aber Sie haben
sich mit ihr in der abgebrannten Ruine getroffen?«
    »Ja.«
    »Warum haben Sie
dann vor Gericht geleugnet, dort gewesen zu sein?«
    »Das liegt doch
wohl auf der Hand, oder? Aber ich will es Ihnen trotzdem
erklären. Ich habe während meines Dienstes meinen Posten
entgegen eines ausdrücklichen Befehls verlassen. Wir stehen
alle unter Kriegsrecht.«   
    Goldstein verstand,
was Solle sagen wollte. Vor Verdun waren deutsche Soldaten für
geringere Vergehen exekutiert worden. »Haben Sie Agnes
geliebt?« 
    »Würde ich
sonst dieses Risiko auf mich nehmen?« Solle nestelte an
seinem Mantel und Pullover, öffnete schließlich den
Hemdkragen und zog eine Goldkette hervor, an der ein Ring hing.
»Der ist von Agnes. Sehen Sie, hier.« Er hielt
Goldstein den Ring entgegen. »Die Innenseite trägt eine
Gravur. Können Sie sie erkennen?«
    »Ja.«
    »Lesen
Sie.«
    »Für
Julian. In ewiger Liebe. Agnes.«
    Solle ließ die
Kette wieder unter sein Hemd gleiten. Er atmete schwer und hatte
Tränen in den Augen. »Sie hat ihn mir kurz vor ihrem Tod
geschenkt.«
    »Haben Sie denn
auch ihre Kette?«
    »Nein.«
    »Wann haben Sie
Agnes zuletzt gesehen?«
    »Einen Tag vor
ihrer Ermordung.«
    »Trug sie die
Kette da noch?«
    »Soweit ich mich
erinnere, ja.«
    »Zeugen haben
ausgesagt, etwa eine halbe Stunde vor der Tat zwei Soldaten in der
Nähe des Fundortes der Leiche gesehen zu haben. Können
Sie mir dazu etwas erzählen?«
    »Ja. Agnes war
nicht in dem Zug, mit dem sie üblicherweise kam. Ich wollte
nachsehen, ob sie möglicherweise an unserem Treffpunkt auf
mich wartete. Ein Kamerad hat mich begleitet.«
    »Wusste Ihr
Kamerad von Ihrem Verhältnis zu Agnes?«
    »Ja. Ich habe
ihn eingeweiht, weil es für einen französischen Soldaten
in Uniform nicht ungefährlich ist, sich nachts in einsamen
Gegenden allein auf der Straße aufzuhalten. Auch nicht
bewaffnet.«
    »Verstehe.
Wissen Sie, wem das Koppel gehörte, mit dem Agnes vermutlich
erdrosselt worden ist?«
    Solle hob die
Schultern. »Ich habe nicht die geringste
Ahnung.«
    »Ist Ihnen
vielleicht aufgefallen, ob einem Ihrer Kameraden ein Koppel
fehlte?«
    »Sie haben mir
erzählt, dass Sie als Soldat vor Verdun lagen. Stimmt
das?«
    »Ja.«
    »Dann wissen Sie
so gut wie ich, dass von Zeit zu Zeit die Koppelschnallen versagen.
Manchmal werden Koppel verlegt oder vergessen. Sie machen Meldung,
bekommen von ihrem Vorgesetzten einen Anschiss und später ein
neues Koppel. Ein ganz alltäglicher Vorgang. Das fragliche
Koppel könnte von überall her stammen.«
    Goldstein nickte.
Solle hatte natürlich recht. »Sie meinen also, dass ein
Franzose als Täter nicht infrage kommt?«
    »Das habe ich
nicht gesagt.«
    Goldstein sah ihn
prüfend an. »Würden Sie mir tatsächlich einen
Kameraden ausliefern? Schließlich bin ich Ihr
Feind.«      
    Solle protestierte
heftig. »Vor Verdun waren wir Feinde. Jetzt würde ich
uns eher als Verbündete bezeichnen, oder? Schließlich
wollen wir beide das Gleiche: Agnes’ Mörder vor Gericht
sehen. Selbst wenn der Täter ein Landsmann von mir wäre,
soll er dafür büßen. Mir ist das Liebste genommen
worden, was ich je hatte. Und ich will, dass der Täter
dafür bestraft wird. Egal, ob Deutscher oder
Franzose.«
    Solles Auftreten und
die Tatsache, dass er sich auf das nicht ungefährliche Treffen
eingelassen hatte, beseitigten die letzten Zweifel Goldsteins. Der
Mann in der Kirchenbank vor ihm war nie und nimmer für den Tod
Agnes Treppmanns verantwortlich. Er musste den Mörder an
anderer Stelle suchen. Damit war eins sicher: Er

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