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Franzosenliebchen

Franzosenliebchen

Titel: Franzosenliebchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Zweyer
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Schultenhoff stand mit dem Rücken zum Spülbecken
und sah Peter Goldstein fragend an.
    Der musterte
verwundert das große Küchenmesser, das seine Wirtin in
der Linken hielt. »Wobei?«
    »Ich möchte
ein Kaninchen schlachten.«
    Natürlich kannte
Goldstein die Käfige im kleinen Stall hinter dem Haus. Zwei-,
dreimal hatte er die Tiere mit Salatabfällen gefüttert.
Zutraulich waren die Kaninchen dabei zum Maschendraht gehoppelt,
hatten ihre Schnäuzchen eng an den Draht gedrückt und,
zitternd vor Erregung, auf ihr Futter gewartet. Goldstein
antwortete nicht.
    »Was ist nun.
Hilfst du mir?«
    Langsam erhob sich der
Polizist von seinem Platz am Küchentisch. »Was soll ich
tun?«
    »Komm
mit.« Martha nahm die große emaillierte Schüssel
vom Küchenschrank und drückte sie Goldstein in die Hand.
»Ich zeig es dir.«
    Sie selbst griff sich
einige gewaschene Stofftücher. Nachdem sich beide Jacken
umgehängt hatten, um sich vor der Kälte zu schützen,
öffnete Martha die
Küchentür.   
    Im Freien war es
ungemütlich. Schwarze Wolken verdunkelten den Himmel. Ein
kalter, stürmischer Wind trieb heftige Regenschauer vor sich
her. Die beiden beeilten sich, den nur wenige Meter entfernten
Stall zu erreichen. Martha schloss die Tür hinter ihnen und
entzündete ein Windlicht, das den Raum nur unzureichend
erleuchtete. Dann schob sie einen wackeligen Tisch zurecht,
legte die Tücher und das Messer darauf und forderte Goldstein
auf, auch die Schüssel dort zu platzieren. Schließlich
kramte sie einen etwa dreißig Zentimeter langen Holzpflock
hervor und reichte ihn Goldstein.
    »Ich halte das
Karnickel fest. Und du schlägst mit dem Pflock kräftig in
seinen Nacken. Aber wirklich kräftig zuschlagen, damit es
benommen wird.«
    Goldstein musterte den
Prügel in seiner Hand. Vor Verdun hatte er einigen Soldaten
dabei zugesehen, wie diese Hühner schlachteten, die sie
überraschend in einer halb zerstörten Scheune entdeckt
hatten. Das hatte nicht besonders schwierig ausgesehen.
    Martha öffnete
einen Käfig und zog ein fast weißes Kaninchen an den
Hinterläufen heraus, hielt es hoch und griff mit fester Hand
die Vorderläufe. Sie streckte Goldstein das Tier entgegen.
»Los.«
    Der Polizist griff zu
dem Holzpflock, nahm Maß und schlug mit aller Kraft zu. Das
Kaninchen quiekte kurz auf und erschlaffte. Schnell legte es Martha
in die Schlüssel, griff zum Messer und durchtrennte mit einer
einzigen Bewegung die Kehle des Tieres. Sie hob es erneut an den
Hinterläufen hoch und ließ das Blut in die Schüssel
laufen. Schweigend sahen die beiden zu, wie immer weniger Blut den
kleinen Körper verließ.
    Nach einigen Minuten
war das Kaninchen vollständig ausgeblutet. Martha nahm erneut
das Messer, zog dem Tier mit geübten Schnitten das Fell ab und
zerlegte es fachmännisch. Goldstein hatte ihr zunächst
mit Interesse zugesehen. Doch dann wuchs seine Abscheu. Die
blutigen Fleischteile, die Martha auf den Tüchern ausbreitete,
erinnerten ihn an die zerfetzten Leiber seiner Kameraden im
Trommelfeuer der Franzosen. Goldsteins Zähne mahlten. Ohne es
zu bemerken, biss er sich heftig auf die Lippen, konnte aber
trotzdem den Blick nicht vom Tisch abwenden.
    Als Martha endlich
alle Fleischstücke in Tücher gewickelt hatte, sah sie
hoch. »Was ist mit dir?«, fragte sie besorgt. Sein
Gesicht war ganz
grau.      
    »Nichts«,
entgegnete er knapp. »Es ist nichts.«
    Zurück in der
Küche wusch Martha das Fleisch sorgfältig und legte es in
Milch ein. »Das wird ein schöner Braten morgen«,
meinte sie dann.
    Goldstein stand am
Fenster und blickte nach draußen. Langsam drehte er sich um.
»Gibt es etwas zu feiern?«
    Sie lächelte.
»Ja. Meinen Geburtstag. Ich werde morgen
vierunddreißig.« Und nach einer kurzen Pause setzte sie
hinzu: »Hast du Lust, mich heute Abend ins Theater zu
begleiten? Sie bringen den Tell.«
    *
    Das Palast-Theater in
der Herner Innenstadt war bis auf den letzten Platz besetzt. Martha
hatte ihren besten Rock aus dem, Schrank geholt, eine frisch
gestärkte Bluse angezogen und sich die Haare hochgebunden.
Unter ihrem Mantel trug sie eine Jacke mit schwarzem Samtbesatz.
Auch Goldstein hatte sich herausgeputzt: Oxfordhose, ein frisches
Hemd, Wolljacke und den langen Mantel.
    Die Aufführung
begann bereits um sechs Uhr. So sollte gewährleistet sein,
dass alle Zuschauer nach dem Ende der Veranstaltung rechtzeitig vor
der Ausgangssperre ihre Wohnungen erreichen konnten.
    In den Straßen
nahe des

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