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Franzosenliebchen

Franzosenliebchen

Titel: Franzosenliebchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Zweyer
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mit
Gewehrkolben traktiert.
    Jetzt war es von
Vorteil, einen Sitzplatz auf den billigen Plätzen zu haben.
Goldstein gelang es, Martha trotz des Gedränges durch eine
Tür zu schieben, bevor die Soldaten zu ihnen vorgedrungen
waren. Sie liefen zur Garderobe und tatsächlich konnten sie
sich noch ihrer Mäntel bemächtigen, bevor die Franzosen
den Zugang versperrten. Das Geschrei um sie herum war
unbeschreiblich.
    Goldstein drehte sich
noch einmal kurz um. Soldaten trieben die Theaterbesucher die
Treppe hinab. Einer dieser Soldaten schaute für einen
Moment in Goldsteins Richtung, ihre Blicke trafen sich. Der
Deutsche erkannte den Mann sofort. Es war Gilbert, der ihm den Tipp
mit der Kneipe Zum Fässchen gegeben hatte.
    Auch der Soldat war
aufmerksam geworden. Er rief einem Offizier, der hinter ihm stand,
etwas zu und zeigte mit dem ausgestreckten Arm auf Goldstein. Ein
paar Soldaten machten sich sofort auf in die Richtung, doch die
Menge geriet durch das zusätzliche Gedränge nun vollends
in Panik. Ein Durchkommen war unmöglich.
    Goldstein griff
Marthas Hand und zog sie mit sich. Und der Vorsprung, den sie
hatten, reichte. Atemlos gelangten sie unter den Ersten ins Freie,
zogen im Laufen ihre Mäntel an, wandten sich nach links,
eilten noch einige hundert Meter die Bahnhofstraße entlang
und bogen dann, um keine Aufmerksamkeit zu erzeugen, langsamer
gehend in eine Nebenstraße ein, Lärm und Licht hinter
sich lassend.

38
    Sonntag, 4. März
1923
    Kalle Soltau hatte
sich seit der Brückensprengung von Wilfried Saborski
ferngehalten. Er traute seinem früheren Kampfgefährten
nicht mehr, ja, er hatte regelrecht Angst vor ihm. Saborski
seinerseits hatte ebenfalls nichts von sich hören lassen.
Soltau ging seiner Arbeit als Schlosser in einer Metall
verarbeitenden Fabrik nach, mied die Kneipen, in denen seine
Kumpane verkehrten, blieb nach Einbruch der Dunkelheit in seiner
Wohnung und hoffte, dass sich die Aufregung über das Attentat
bald legen würde.
    Sorgfältig strich
er nun Rübenkraut auf das frische Brot und verzehrte es mit
Genuss. Die nächste Scheibe belegte er mit Käse, dazu
frühstückte er ein Stück durchwachsenen Speck, den
er mit seinem Klappmesser in kleine, mundgerechte Stücke
zerlegte. Seine Speisekammer war gut gefüllt. Wie viele seiner
Kollegen hatte auch Soltau es sich zur Regel gemacht, den
größten Teil des Wochenlohns schon am Tag der Auszahlung
auszugeben, um die Auswirkungen der Inflation etwas zu mindern. So
konnte er sonntags immer aus dem Vollen schöpfen. Soltau war
zwar katholischen Glaubens, aber nicht gläubig. Statt die
Messe zu besuchen zog er es vor, nach einem ausgiebigen
Frühstück und einem Verdauungsnickerchen den
Fußballplatz zu besuchen, wo sein Sodinger Klub um Punkte
kickte.   
    Als Kalle Soltau heute
die Straße betrat, lief er der französischen
Militärstreife, die gekommen war, um ihn zu verhaften, direkt
in die Arme. Ehe er sich versah, fand sich der Schlosser auf der
Ladefläche eines Armeefahrzeugs wieder, im Kreis eines halben
Dutzends anderer Männer, die anscheinend auch von der
Straße weg festgenommen worden waren. Soltau kannte keinen
der anderen Männer. Ein Gespräch war aber sowieso nicht
möglich, da die Soldaten jedes Wort mit einem Stoß des
Gewehrkolbens ahndeten.
    Vor der
Gräffschule hielt der Wagen. Die Gefangenen wurden in das
Gebäude geführt und in ein Klassenzimmer gebracht. Dort
wurde ihnen befohlen, sich im Abstand von einigen Metern auf den
Boden zu setzen. Damit war weiterhin jede Möglichkeit, sich
auszutauschen, unterbunden. Soldaten hielten Wache. Soltau war der
Dritte, der zum Verhör abgeholt wurde. Er hatte die beiden,
die vor ihm aus dem Klassenzimmer geschleppt worden waren, gesehen
- sie wirkten äußerlich unversehrt. Trotzdem zitterte
Soltau wie Espenlaub. Was wussten die Franzosen? Hatten sie
Kenntnis davon, dass er an dem Attentat in Bladenhorst beteiligt
gewesen war? Hatte ihn jemand verpfiffen?
    Der Raum, in den er
geführt wurde, war nur spärlich möbliert. Vor einem
Schreibtisch, hinter dem ein Offizier saß, stand ein
Holzschemel. Die Soldaten, die ihn begleitet hatten, drückten
ihn auf den Hocker und bauten sich links und rechts von ihm auf.
Sie schienen bereit, jeden Fluchtversuch unverzüglich und mit
aller Härte zu unterbinden. Aber Soltau verschwendete keine
Gedanken an Flucht. Er war froh, noch am Leben zu sein, und
entschlossen, das auch zu bleiben. Und dieser Selbsterhaltungstrieb
war es, der ihn jede

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