Franzosenliebchen
möchten.«
Goldstein lehnte
dankend ab.
Sie griff zu einem
Kochlöffel, das Kind immer noch auf dem Arm, und rührte
in einem großen Topf, der auf dem Herd stand. »Kappes
mit Speck«, erläuterte sie. »Mit Kartoffeln. Mach
ich immer für zwei, drei Tage. Is dann nich so viel Arbeit,
auch mit die Blagen hier.« Sie drehte sich zu Goldstein um
und setzte den Kleinen auf eine Decke, die in einer Ecke auf dem
Boden lag. Der brach prompt in lautes Geschrei aus.
»Kümmert euch um euren Bruder«, rief die Mutter
den anderen Kindern zu, die immer noch im Türrahmen standen
und Goldstein schüchterne Blicke zuwarfen. Endlich wischte
sich Ilse Suttkowski die Hände an der Schürze ab, zog
einen Stuhl am Küchentisch zurecht und nahm darauf Platz.
»Nun stehn Se da nich rum, wie bestellt un nich abgeholt.
Setzen Se sich endlich. Un dann erzähl’n Se ma, wat Se
von mir wollen.«
Goldstein folgte der
Aufforderung. Er hatte sich dazu durchgerungen, Ilse Suttkowski
reinen Wein einzuschenken. Wenn ohnehin die halbe Siedlung von
seiner wahren Identität wusste, war es sinnlos, weiter den
Schraubenverkäufer zu spielen. Er war auf die Solidarität
seiner Landsleute und auf deren Schweigen angewiesen. »Ich
bin Polizist und …«
»Schon
gehört. Also?«
»Auf Marthas
Geburtstagsfeier haben Sie ein paar Andeutungen
gemacht.«
»Wat
denn?« Sie grinste schelmisch. »Ich quatsch ’n
bisken viel. Dürfen Se nich allet wörtlich
nehm.«
Goldstein seufzte.
»Kennen Sie Wilhelm Gleisberg?«
»Den Wilhelm? Un
ob ich den kenne. Wohnt drüben inne Barrestraße. Hat
hier immer rumscharwenzelt.«
»Wie meinen Sie
das?«
»Mensch, dat
weiß doch jeder hier inne Siedlung. Der war scharf wie Lumpi
auf die kleine Treppmann.«
»Auf
Agnes?«
»Genau.«
Sie kicherte. »Se hatten abba nich rangelassen. Zumindest
soweit ich weiß. Abba dat hat ihn nich gestört. Sah
jedenfalls so aus. Allet hat er versucht, um doch noch bei ihr zu landen.
Eigentlich ein netten Kerl, der Wilhelm. Bisken unerfahren
vielleicht, abba ein netten Kerl. Un altersmäßig
hätte er gut zur Agnes gepasst.«
»Hat sich an dem
Verhältnis der beiden in letzter Zeit etwas
geändert?«
»Nee. Nich dat
ich wüsste. War allet so wie immer. Agnes war freundlich zu
Wilhelm, is mit ihm bummeln gegangen, also, mir is da nix
aufgefallen.«
»Könnte
Wilhelm etwas mit dem Tod von Agnes …«
Ilse Suttkowski lachte
laut auf. »Wilhelm? Nie im Leben. Der war so wat von
verknallt inne Agnes, der hätte die auf Händen getragen.
Also hörn Se bloß auf mit so wat. Oder hat Ihnen jemand
wat erzählt?« Sie beugte sich zu Goldstein hinüber.
Eine Wolke aus Schweiß, Küchendämpfen und billiger
Seife schlug ihm entgegen. »Wer denn? Kommen Se, erzähln
Se ma.«
»Nein, mit mir
hat niemand über Wilhelm Gleisberg gesprochen. Das war nur so
eine Vermutung.«
Sie wirkte
enttäuscht. »Schade. Dat hätt ich doch zu gerne
gewusst.«
»Können Sie
sich einen Grund dafür vorstellen, dass Wilhelm
eifersüchtig gewesen
ist?«
»Der Wilhelm?
Eifersüchtig? Auf den Kerl?« Sie hielt sich erschrocken
die Hand vor den Mund.
Goldstein fühlte,
wie sich seine Nackenhaare aufrichteten. »Was sagen Sie da?
Gab es noch jemanden, der sich um Agnes
bemühte?«
Sie stand auf, ging
zum Herd und rührte geschäftig in dem Topf.
»Nun antworten
Sie doch«, bat Goldstein.
Ilse Suttkowski drehte
sich abrupt um. »Warum kann ich auch mein blödes
Schandmaul nich halten. Ich sach nix mehr.«
»Ich bin
Polizist, der in einem Mordfall ermittelt. Sie müssen mir
Auskunft erteilen.«
Ilse Suttkowski lachte
schrill. »War dat ’ne Drohung? Dat ich nich lache. Wat
wolln Se denn machen? Die Franzmänner holen oder
wat?«
»Ewig wird die
Besatzung nicht dauern.« Goldstein wusste, dass das ein
schwaches Argument war.
»Dann könn
Se ja ma wiederkomm.«
»Es hat ganz den
Anschein, als ob Sie jemanden decken wollen«, antwortete
Goldstein scharf. »Ihr Verhalten ist
strafbar.«
Die Frau baute sich
vor dem Polizisten auf. »Hörn Se ma zu. Die Mörder
von der Agnes waren Franzosen. Dat is für mich klar. Un allet
andere geht Se nix an, verstanden? Agnes is tot. Un über Tote
soll man nich schlecht reden. Auch nich über andere. Gezz
sollten Se besser gehen.«
»Aber
…«
»Fragen Se Ihre
Freundin. Vielleicht weiß die ja wat.« Sie zog ihn am
Ärmel. »Un gezz raus hier.«
Goldstein war sich
sicher, nichts mehr von Ilse Suttkowski zu erfahren. Also gab er
auf und verließ
Weitere Kostenlose Bücher