Frau an Bord (Das Kleeblatt)
er hätte aufgehört zu atmen.
„ Was soll ich sagen? Mir fehlen die Worte.“
Mit vor Stolz geschwellter Brust nahm der Kapitän das begeisterte Nicken seines neuen Funkers zur Kenntnis.
„ Ein Spezialrezept“, konnte er sich nicht verkneifen zu betonen, denn Bescheidenheit war eine Tugend, von der er noch nie viel gehalten hatte. „Von mir. Und streng geheim.“
Das hatte er doch gleich vermutet, dass diese Frau über einen exzellenten Geschmack verfügen musste.
Vielleicht war sie sogar in anderer Beziehung zu etwas nütze.
2 2. Kapitel
„Haben Sie, abgesehen von dem Heuerschein, noch irgendwelche anderen Papierchen für mich dabei?“
Falls du in die sem Durcheinander überhaupt etwas von Bedeutung findest, hätte ich das gern, verkniff er sich mit einem skeptischen Seitenblick auf ihre geöffnete Tasche. Als Seemann, der es gewohnt war, sich auf engstem Raum einzurichten, verabscheute er nichts so sehr wie Unordnung. Offenbar war diese Frau da anderer Meinung. Aber was konnte man schon von kleinen, blonden Püppchen erwarten, die vermutlich den halben Tag vor dem Spiegel zubrachten? Und den Rest des Tages in einem Schuhgeschäft.
Bereitwillig überließ Susanne dem Alten die Gesprächsführung. Sie hatte den Eindruck, dass er es liebte, sich selbst reden zu hören. Ein unter Kapitänen weit verbreitetes Übel, wie sie vermutete, weil ihr Rupert Frisko einfiel. Nach und nach kramte sie eine Klemmmappe mit Zeugnissen, Beurteilungen und ihrem Seefahrtsbuch hervor, packte alles vor ihn auf die Back und zog es ansonsten vor, den wirklich göttlichen Kaffee zu genießen. Lange genug hatte sie schließlich darauf warten müssen. Bei passender Gelegenheit würde sie ihn nach dem Rezept fragen. „Die guten Tiere“ und ganz besonders Bea wären begeistert von diesem Gebräu. Er schmeckte beinahe wie der, den sie gemeinsam mit Simone und Adrian an Bord der „Fritz Stoltz“ getrunken hatte.
Sie hatte nie nachgefragt, wer von beiden für den Kaffee verantwortlich war. Mit naiver Selbstverständlichkeit war sie davon ausgegangen, irgendwann später immer noch Zeit dafür zu finden. Zeit für ein Gespräch mit Simone über ihre Schwangerschaft. Zeit für einen Blick auf Adrian im Fitnessraum. Zeit für so viele Kleinigkeiten, die sie sich nicht genommen hatte und deren Bedeutung ihr erst nach der Unwiederbringlichkeit derselben bewusst geworden war. Jene Nacht im Atlantik hatte ihr mit gnadenloser Brutalität vor Augen geführt, dass alles von einem auf den anderen Tag vorbei sein konnte und sie aus diesem Grund nichts mehr auf irgendwann verschieben sollte.
Vorbei! Eine Freundschaft, eine Liebe, ein Leben.
„Das ist hoffentlich nicht Ihre erste Reise? Auf welchem Dampfer haben Sie sich bisher rum… aufgehalten?“
Sus annes Kopf flog mit einem Ruck nach oben. Seine Frage ließ sie vor Schreck derart heftig zusammenzucken, dass sie ihren Kaffee verschüttete. Ihre Hand zitterte unkontrolliert bei dem Versuch, die Tasse geräuschlos auf dem Unterteller abzusetzen. Wie gelähmt starrte sie Matthias Clausing an, stumm, mit angehaltenem Atem.
Der hatte sich in das Studium ihrer Zeugnisse vertieft und nickte beifällig. Er musste unbedingt herausfinden, ob sie allen Ernstes fleißig gewesen war oder lediglich gute Freunde besaß, welche die Arbeit für sie erledigt hatten. Er angelte sich Susannes Seefahrtsbuch aus den Unterlagen und stockte wie zuvor die Funkerin.
Bitte, lieber Gott, nicht auch noch das, betete er, nach wie vor nicht bereit, die Hoffnung aufzugeben, dass sein alter Verbündeter vielleicht doch auf seiner Seite stand.
Das Lächeln um seinen Mund gefror zu Eis, während er langsam den Kopf hob.
„Sie … Sie waren auf der ‚Fritz Stoltz’? Damals?“
I hr Körper versteifte sich, als könnte sie damit die aus der Versenkung nach oben schießenden Erinnerungen abwehren. Ihr Hals war wie zugeschnürt, sodass sie nicht einen Laut mehr über ihre Lippen bekam, während ihr Herz derart wild gegen die Rippen hämmerte, als wollte es ihre Brust sprengen.
Sie hatte doch mit dieser Frage gerechnet! Sie war von ihrer Therapeutin darauf vorbereitet worden, tage-, wochenlang. Seit Monaten!
Jaaa! Natürlich hast du die letzte Reise mitgemacht und, wie jeder sehen kann, überlebt. Stell dich nicht dämlicher als nötig, Mädchen! Du bist auf der „Fritz Stoltz“ gefahren, als sie unterging. Sag es endlich! Du hast diesen Satz bis zum Erbrechen geübt.
Kaum merklich nickte sie.
„Ich
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