Frau an Bord (Das Kleeblatt)
etwas nicht stimmte. Warum sagte er ihr nicht die Wahrheit? Vertraute er ihr so wenig?
„Es ist nicht wichtig“, flüsterte sie zerknirscht. „Natürlich nicht. Es betrifft ja bloß dich, weshalb sollte das also für mich von irgendeiner Bedeutung sein? Ich wollte es nur wissen. Neugier, mehr nicht. Wie blöd. Dabei interessiert es mich nicht mal sonderlich. Und es geht mich noch weniger etwas an.“
„Du solltest nicht derart viel fragen.“
„ Schon gut, ich hab‘s kapiert und bitte tausendmal um Entschuldigung. Behalte deine Geheimnisse auch in Zukunft alle für dich. Sie sind ausschließlich deine Sache. Aber dann sieh, verdammt noch mal, zu, wie du damit alleine fertig wirst! Mir reicht’s nämlich!“
Zutiefst verletzt wollte sie aufspringen, Adrian indes packte sie am Handgelenk und hielt sie zurück. „Bleib hier. Setz dich wieder.“ Sein Daumen kreiste beruhigend über ihren Puls.
Oh ja, es war ihr vom ersten Moment an klar gewesen, dass es ihm keine rlei Schwierigkeiten bereitete, die körperlichen Bedürfnisse einer Frau zu befriedigen. Da machte es nichts aus, wenn er nicht gerne redete. Wer ging schon ins Bett, um zu reden?
Doch sie wollte mehr von ihm! Entweder ganz oder gar nicht, das war ihr Lebensmotto. Sie konnte ganz auf Nugat verzichten oder auf Zigaretten und Alkohol. Sie konnte sogar ganz auf Sex verzichten (zumindest für eine Weile – wenn es denn unbedingt sein musste). Bloß mit wenig war sie nie zufrieden. Ein wenig Nugat naschen, ein wenig rauchen, trinken oder lieben? Dann besser gar nicht. Halbe Sachen waren nicht ihr Ding. Wenn sie etwas mochte, dann wollte sie möglichst viel davon haben. War doch nur logisch und verständlich, oder nicht? Wenn sie also einen Mann liebte, dann wollte sie ihn ganz, mit Haut und Haaren, mit all seinen Vorzügen und Macken.
„Eine Erinnerung an unseren Untergang“, murmelte Adrian nach einer endlosen Zeit trotzigen Schweigens.
„ Ich wusste nicht, dass es dich so schlimm erwischt hat. Ich hatte keine Ahnung. Es tut mir leid“, wiederholte sie.
„Nein, das muss es nicht. Schließlich haben wir beide überlebt.“
Zagh aft fing sie wieder an: „Wie …“ und verstummte augenblicklich, als sie sein missbilligendes Stirnrunzeln sah.
Anstatt jedoch seinem Ärger über die erneute Frage Luft zu machen, antwortete er sehr zu Suses Verwunderung: „Ich kann mich kaum entsinnen, was während der letzten Nacht auf der ‚Fritz Stoltz’ passierte. Was ich über diese Katastrophe weiß, habe ich von anderen gehört oder in spanischen Zeitungen im Krankenhaus gelesen. Graneß, dieser riesige Maschinist, hat mir erzählt, ich hätte die gesamte Rettungsaktion an seiner Seite verschlafen. Er war wohl derart steif … ähm, betrunken, dass er nicht viel mehr mitbekommen hat als ich. Meine einzige Erinnerung an diesen Tag ist, dass ich Reinschiff in der Kombüse gemacht habe. Dazwischen geistern ohne Zusammenhang irgendwelche Bruchstücke von Bildern, die ich zeitlich nicht zuordnen kann – Simone, der Decksi und du. Manchmal rede ich auch mit dem Funker, kann allerdings nicht verstehen, was er sagt. Als ich aufwachte, lag ich auf einer Trage und jemand schnitt die Bänder der Schwimmweste auf“, er lachte bitter, „und meinen Lieblingspullover kaputt. Das nächste Mal kam ich in einem Krankenhausbett zu mir, erst auf den Kanaren, später zu Hause. Ab und zu hatte ich sogar Besuch, Matt’n selbstverständlich, Vertreter der Reederei und Rolf Graneß. Er war es, der mir erklärte, wie ich mir in jener Nacht einige Rippen gebrochen habe.“
„Das hast du wohl kaum selber geschafft.“
„Stimmt, der Kühlschrank auf dem Assi-Gang hat dabei kräftig nachgeholfen.“
„Der Kühlschrank? D ieses monströse Geschoss von unserem Gang?“ Suse schluckte und presste eine Hand vor den Mund, weil die Erkenntnis sie wie ein Blitzschlag traf. Sie spürte einen scharfen Stich in der Brust, als würde ihr Herz in der Mitte gespalten.
„Du hast damals erst Simone nach oben geschleppt“, stieß sie tonlos hervor. Ihre Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, um die Bilder jener Nacht heraufzubeschwören. „Und anschließend bist du noch einmal unter Deck, um deinen Rettungskragen zu holen. Du wolltest gar nicht zu mir, wie ich mir immer eingebildet habe! Und hätte ich mich nicht dermaßen dämlich und stur wie ein Esel angestellt, sondern wäre brav hinter euch beiden her auf das Bootsdeck getappt, dann hättest du dir die Weste geschnappt und
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