Frau Bengtsson geht zum Teufel
Schnarchen von sich, das gefährlich nach Schlafapnoe klang. Sie legte das Buch zur Seite (leicht verärgert, wie gesagt) und strich ihm über die Wange.
»Liebling?«
»Hmmpf.«
»Du hast drei Stunden geschlafen und die ganze Politik verpasst. Sollen wir ins Bett gehen?«
Herr Bengtsson, der leicht zu wecken war, schlug die Augen auf und sagte: »Was? Drei Stunden? Herrgott, es ist ja fast zwölf.« Er seufzte und setzte sich auf. »Hast du es aufgenommen?«
»Nein, ich habe auch nichts gesehen. Ich habe gelesen.«
»Na ja. Wir haben wohl nichts verpasst. Lass uns schlafen gehen, ich muss morgen früh raus.«
Nach einer sparsamen Nachttoilette krochen die Eheleute unter ihre Daunendecken und küssten einander gute Nacht, ohne Sex. Es war ja Sonntag.
Es war gerade erst still geworden, und an seinen leichten Atemzügen konnte Frau Bengtsson hören, dass ihr Mann noch nicht schlief.
»Du?«
Es dauerte ein paar schläfrige Sekunden, ehe er fragend in ihre Richtung hmmte.
»Glaubst du an Gott?«
Wieder war es einige Sekunden still, aber als sie fast sicher war, dass er schlief, und gerade aufgeben wollte, antwortete er: »Jedenfalls nicht richtig.«
»Nicht richtig? Wie meinst du das?«
»Ich glaube schon an irgendetwas Mystisches. Wenn es keine Erklärung für gewisse Dinge gibt. Ein bisschen wie ein Urmensch, der in jedem Gewitter Gott sieht. Oder wenn ich Angst habe; dann kann ich mir einbilden, dass ich glaube. Aber ohne mich zu binden. Denn sobald die Wissenschaft Fortschritte macht und mir Dinge erklärt, die ich vorher nicht verstanden habe, dann … dann schreibe ich Gott ein Stück weiter ab. Das ist vielleicht kein echter Glaube oder überhaupt keiner. Es hängt davon ab, wie viel ich weiß.«
»Jaja. Ich glaube jedenfalls an Gott.«
Die Antwort war Schweigen.
Dann: »Ist das so was wie letztes Mal, als du allen erzählt hast, dass du hellsehen kannst, bloß weil du die Lottozahlen zwei Wochen hintereinander richtig erraten hast?«
»Aber das habe ich doch auch.«
»Ja, ohne den Lottoschein abzugeben. Das war weniger hellseherisch.«
»Das hat doch damit nichts zu tun.« Sie drehte sich demonstrativ zur Seite.
»Schon gut. Ich wünschte nur, du hättest es getan. Es hätte unser Leben weiß Gott erleichtert, und mehr Spaß hätten wir auch.«
Sie schnaubte, und er sah ein, dass er etwas Falsches gesagt hatte. Deshalb fügte er hinzu: »Aber sicher. Du glaubst an Gott. Das ist schön.« Keine Minute später war er eingeschlafen.
»Schön?«, flüsterte Frau Bengtsson. »Weiß der Teufel.«
Kurz bevor sie ebenfalls einschlief, dachte sie an Noahs armen Sohn Ham und dessen Sohn Kanaan, der von seinem eigenen Großvater zu einem Leben in Sklaverei verdammt wurde, bloß weil Ham in das Zelt seines Papas gegangen war und ihn nackt gesehen hatte. Dass der alte Noah sich selbst besoffen und ausgezogen hatte und splitternackt eingeschlafen war, war dem Herrn egal. Stattdessen setzte er den Fluch des Alten in die Tat um.
Vater Noah, Vater Noah war ein Ehrenmann …
Sie schnaubte vor Wut. Warum trichterte man den Kindern so einen Mist ein, anstatt die Wahrheit zu sagen? Das war doch der Anspruch der Bibel, die Wahrheit zu sagen, oder?
Vater Noah, Vater Noah, das versoff’ne Loch
Platzte ihm der Kragen, fluchte er ohn’ Maßen …
Klang irgendwie nicht so gut.
War das
ihr
Gott, der es duldete, dass der Enkel zur Sklaverei verdammt wurde, bloß weil die alte Schnapsnase sich nicht anständig zudecken konnte, bevor sie einschlief? Das konnte sie kaum glauben.
Aber wenn sie es nicht glaubte, bräuchte sie sich auch nicht darüber aufzuregen.
Als sie endlich zu einem schlafenden Daunenhügel wurde, träumte sie von dem Gott ihres Mannes, der ständig auf dem Rückzug war, und das passte in diesem Fall.
12
M an könnte fast sagen, dass Frau Bengtsson am Montag einen Rakel-Morgen durchmachte. Kaum dass sie die Augen aufgeschlagen hatte, plagte sie das schlechte Gewissen über ihre letzten Worte vor dem Einschlafen: Weiß der Teufel, ob es schön war, an Gott zu glauben. Dann fiel ihr ein, warum sie dies gesagt hatte, und sie wurde wieder wütend auf Gott, was ihr schlechtes Gewissen noch verstärkte. Um es zu betäuben, setzte sie sich, nachdem sie den Frühstückstisch abgeräumt hatte, hin und las weiter.
Beggo war enttäuscht, als er die Post brachte. Er hatte ein perfektes Bremsmanöver hingelegt, und beim Anfahren hatten die Reifen schön gequietscht, aber die Witwe stand nicht am
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