Frau Bengtsson geht zum Teufel
Jahr gewesen sein, als sie vier Blöcke weiter zu einem Grillfest eingeladen waren, aber das war lange nicht so anstrengend gewesen. Auf dem Hinweg hatten sie Rückenwind gehabt, und auf dem Rückweg waren sie betrunken gewesen.
Nun wehte ihr ein schwacher Wind entgegen. Die glatten Sohlen der Sandaletten rutschten ständig von den Pedalen, so dass sie ins Wanken geriet und beinahe vom Rad fiel. Die Filmphantasie war zerstört. Dreimal wäre sie beim Überqueren der Bordsteinkante fast umgekippt, denn sie traute sich nicht, auf der Straße zu fahren. Ja, es war anstrengend.
Aber so ist das wohl, wenn man Gott sucht, dachte sie märtyrerhaft und stieg in die Pedale.
»Teufel«, zischte sie, als das Vorderrad im Kies der Kirchenauffahrt versank und sie ein weiteres Mal fast über den Lenker abgestiegen wäre. Sie sah sich schuldbewusst um.
Hatte sie nun auf geweihtem Boden geflucht, oder zählte der Kirchhof nicht mit? Vielleicht war es dort sogar noch schlimmer. Aber die majestätischen Bäume, die die Allee zum Portal säumten, schien es nicht zu kümmern, und die Toten schliefen ungestört weiter.
Auf einem der Grabsteine stand ein Allerweltsname, zwei Jahreszahlen mit viel zu kurzer Zeit dazwischen, und darunter in zierlichen Buchstaben »Ich sagte doch, dass ich krank bin«, aber das entging Frau Bengtsson, weshalb sie dem Verstorbenen nicht den Gefallen tat zu lächeln.
Der Kies verkratzte das feine Leder an ihren Absätzen, und sie musste sich beherrschen, nicht laut ihre Meinung zu sagen. Als könne Gott ein Fluchen nur hören, wenn man den Mund aufmachte.
Am Portal stellte sie das Fahrrad ab, zog einen Taschenspiegel hervor, richtete sich das Haar und zog den Lipgloss nach.
Schwarz und grob gemasert war die Tür unter ihrer feingliedrigen Hand. Sie atmete tief ein, versuchte nicht mehr an ihre teuren Schuhe zu denken (und was die Reparatur kosten würde) und drückte.
Nichts.
Sie überspielte den Misserfolg mit einem Lachen, packte den eisernen Ring am Türgriff und zog.
Weiterhin nichts.
Der Wind frischte auf, das Haar wehte ihr ins Gesicht und klebte am Lipgloss fest. Sie spuckte und strich es zur Seite, und ein Teil der klebrigen Masse wurde über ihre Wangen geschmiert. Weil es nicht in Frau Bengtssons Vorstellungswelt passte, dass eine Kirche geschlossen sein konnte, versuchte sie noch einmal, die Tür aufzustoßen, diesmal mit der Schulter. Aber sie bewegte sich nicht.
Sie ging zwei Schritte zurück und schaute auf das bunte Fenster über dem Portal, als könne sie dort sehen, ob Gott zu Hause war. Nun war sie schon zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit wütend. Sie trat wieder zur Tür und suchte nach einem Türklopfer. Den gab es natürlich nicht, und das Klopfen ihrer kleinen Fäuste war so leise, dass es kaum durch das dicke Holz drang.
Sie ging um das Gebäude herum. Keine Seele war zu sehen. Als sie wieder am Portal ankam, versuchte sie noch einmal, sich bemerkbar zu machen. Ihrer Vorstellung nach saß natürlich ein Pfarrer dort drinnen – wo sollte er sonst sein? Vielleicht war er tief ins Gebet versunken. Pfarrer mussten doch wie alle anderen tagsüber arbeiten? Oder waren sie so eine Art Superman und nahmen unter der Woche eine andere Identität als Bauarbeiter oder Beamter an? Nein, ein Pfarrer war ein Pfarrer, und als solcher hatte er in der Kirche zu sein. Punkt.
Sie trat mit dem rechten Absatz gegen die Tür, aber selbst ein Specht hätte mehr Lärm gemacht als sie. Ein mickriger, kleiner Anfängerspecht sogar.
»Leck mich doch!«, schrie sie schließlich das alte Gemäuer an und vielleicht auch Gott.
Aber gerade in diesem Moment sah er nicht in ihre Richtung, sondern hörte geduldig der heiligen Birgitta zu, die sich zum x-ten Mal bitter beschwerte, dass man ihre Gebeine nach ihrem Tod in Wein gekocht hatte. »Wie ein Hühnchen!«
»Stell dich nicht so an«, sagte Thomas von Aquin. »Ich wurde gekocht und in alle Winde zerstreut. Ein Finger hier, ein Glied da. Was spielt das für eine Rolle?«
Frau Bengtsson radelte nach Hause. Jetzt hatte auch noch der Wind gedreht, und sie musste wieder gegen ihn ankämpfen.
Als sie verschwitzt und sauer nach Hause kam, griff sie als Erstes nach einem Nikotinkaugummi und nach dem Telefon.
»Hej, hej. Verbinden Sie mich bitte mit dem Pfarramt. Welche Gemeinde? Ääh … Das weiß ich nicht. Ich wohne in Jämnviken. Danke.« Sie wartete und drückte ein zweites Kaugummi aus der Packung. »Ja, hej. Ich heiße Frau Bengtsson und
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