Frau Bengtsson geht zum Teufel
Briefkasten.
Er seufzte sehnsüchtig. Bei wem sollte er nun die vielen neuen Phrasen ausprobieren, die er gelernt hatte? Er hatte nämlich eine neue CD an der Tankstelle gekauft. Sie hieß
Beliebte Tanzschlager,
der Gesang war klar verständlich, und die Verse konnte man sicher einmal gebrauchen. Er legte
Wie der Wind
auf und fuhr betrübt weiter.
Frau Bengtsson war zwar zu Hause, aber sie war in die letzten Kapitel des ersten Buches Mose vertieft. Sie hatte sich rasch eine Systematik angeeignet und alle Passagen, über die sie sich aufregte, sorgfältig auf einen Notizblock abgeschrieben, damit sie mit Rakel darüber reden konnte.
Als Joseph sich endlich mit seinen Brüdern in Ägypten versöhnt hatte und sein Vater gestorben war, war sie ganz wirr im Kopf. Genug für heute!
Der Kaffee war kalt geworden. Sie stellte die Tasse ein paar Sekunden in die Mikrowelle, ging ans Fenster und schaute nach, ob das arme Mädchen zu Hause war.
Es war schwer zu sagen, weil die Sonne so hell schien. Sie sah auf die Uhr und war überrascht, dass es schon halb zwei war. In vier Stunden würde ihr Mann heimkommen, also musste sie in drei Stunden mit dem Kochen beginnen. Es wäre wohl besser, sich anzuziehen und gleich hinüberzugehen.
Als sie zwanzig Minuten später an Rakels Tür klingelte, machte niemand auf. Wahrscheinlich hatte Rakel noch ein paar Wochen Semesterferien. Hatte sie nicht gesagt, dass die Schule erst im September beginnen würde? Frau Bengtsson sah sich verwirrt um und kam sich dumm vor. Hoffentlich hatte sie niemand gesehen, sonst dachten die Leute noch, sie sei nicht wichtig genug oder nicht informiert. Besser war es, einfach weiterzugehen.
Obwohl es erst Mitte August war, hatte die Sommerwärme sich schon zurückgezogen, es waren höchstens siebzehn Grad. Sie lief planlos die Fröjdgata hinab, vorbei an Herrn Rubins Haus, wo sie zum Balkon schielte. Der Alte saß mit einem Kescher in der Hand im Sessel und starrte in den Himmel. Seine Lippen bewegten sich unaufhörlich, aber lautlos. Der Arme, das kam wohl vom Alter.
Im nächsten Haus wohnte eine junge Familie mit einem kleinen Kind. Frau Bengtsson schnaubte leise beim Vorbeigehen. Als sie vor einem halben Jahr eingezogen waren, hatte Frau Bengtsson die Tradition der Karlssons fortgesetzt und ihnen selbstgebackene Zimtschnecken gebracht, aber sie hatten weder die freundliche Geste noch den Besuch je erwidert. Solange das Kind klein war, mochte das verzeihlich sein. Sie würde ihnen noch ein halbes Jahr geben, dann würde sie entscheiden, ob sie unverschämt oder nur gestresst waren.
Das nächste Haus lag an einer Straßenecke und war wie immer selbst am helllichten Tag beleuchtet. Pure Angeberei. Das Licht an der Einfahrt war an, ebenso die vielen in den Boden eingelassenen Spotlights. Ursprünglich hatte Frau Bengtsson auch solche Scheinwerfer gewollt, aber nun konnte sie unter keinen Umständen dieselben kaufen.
Sie kannte das Paar, das dort wohnte, nicht besonders gut, aber sie wusste, dass es Rentner waren. Frührentner, genau genommen, und das nicht wegen irgendwelcher Krankheiten, sondern weil sie es sich leisten konnten. Eines Tages hätte es Herr Bengtsson auch so weit gebracht, dass sie den ganzen Tag das Licht brennen lassen konnten!
Sie erreichte das Ende der Straße. Wohin wollte sie eigentlich?
Ohne eine Antwort zu finden, drehte sie wieder um. Als sie fast zu Hause war, fiel ihr ein, dass sie in die Kirche gehen könnte. Vielleicht würde sie Rakel dort treffen.
Und wenn nicht, wäre es vielleicht trotzdem ein angemessener Schritt auf ihrer Suche? Aber sie war schon einmal umgedreht, und wenn sie das noch einmal tat, könnten die Leute sich wundern. Einfach so auf und ab zu spazieren …
Also ging sie aus strategischen Gründen ins Haus und wartete zehn Minuten hinter der Tür, damit es aussah, als hätte sie etwas zu tun. Dann ging sie in die Garage und holte ihr Fahrrad. Mochte sein, dass Rakel die drei Kilometer zu Fuß ging, aber so gut war Frau Bengtsson heute nicht auf Gott zu sprechen. Außerdem wollte sie ihre feinen Sommersandaletten nicht verschleißen; man wusste ja, dass die Lebensdauer solch dünner Riemchen und Sohlen drei Kilometer kaum überschritt.
Die Radtour war anstrengend.
Am Anfang freute sie sich, wie schnell es ging, und phantasierte, dass sie in
Fannys Farm
mitspielte, aber bald ging ihr die Puste aus. Sie versuchte sich zu erinnern, wann sie zum letzten Mal Rad gefahren war. Es musste vor ungefähr einem
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