Frau Bengtsson geht zum Teufel
wärst vielleicht in der Kirche. Ich bin sogar mit dem Fahrrad dorthin gefahren, aber weißt du was, sie war geschlossen.«
»Ja.« Rakel verdrehte die Augen und seufzte leise. »Das ist sie eigentlich immer.«
»Ich hätte fast gedacht, dass du einen eigenen Schlüssel hast. Ich meine … du weißt schon.«
Rakel fuhr sich mit den neuen Fingernägeln über die Wangen, dass es knisterte, dann klatschte sie plötzlich so fest in die Hände, dass Frau Bengtsson beinahe ihre Tasse umgekippt hätte.
»So ist das! Geschlossen. Immer. Keiner daheim.« Sie lachte laut und trank einen Schluck.
Frau Bengtsson war noch immer seltsam zumute. Das mit den Nägeln war nicht alles. Rakel benahm sich höchst absonderlich. Sie war so … normal, ja fast – Frau Bengtsson suchte nach dem richtigen Wort – feminin.
Als das Mädchen seine Tasse abstellte und lachte, fiel ihr auf, dass Rakel mit offenem Mund lachte, wie ein ganz normaler Mensch. Ihre schiefen Schneidezähne, die im Grunde niedlich aussahen, strahlten weiß. Merkwürdig. Als hätte das Mädchen plötzlich erkannt, warum sie so sauertöpfisch und langweilig ausgesehen hatte. Die Frage war nur, ob ihr plötzlicher Wandel nicht noch seltsamer war.
Die Leute sollen sein, wie sie sind, und sich nicht unvermutet verwandeln. Außer man hat ihnen selbst dazu geraten und ist vorbereitet.
»Wollten Sie etwas Bestimmtes?«, sagte das arme … nein, so konnte sie Rakel nun nicht mehr nennen … sagte Rakel.
»Ja, ich wollte dich ein paar Sachen fragen. Vielleicht kannst du mir ja weiterhelfen.«
»Was für Sachen denn?«
Rakel lehnte sich erwartungsvoll über den Tisch und stützte den Kopf in die Hände. Ihre Nägel sahen aus wie Flammen, die über ihr Gesicht züngelten.
»Ja, also. Ich habe angefangen, die Bibel zu lesen.«
»Nein, wie schööön«, sagte Rakel. Unter dem plötzlichen Druck ihrer Nagelspitzen bildeten sich kleine, weiße Halbmonde auf ihren Wangen.
Nicht starren, nicht starren! Hatte das Mädchen gerade in seine Tasse gekotzt?
»Ja, im Prinzip schon. Aber ein paar Dinge kann ich einfach nicht verstehen.«
»Ach, das geht allen so. Es ist nun mal ein … schwieriges Buch.« Rakel stand auf und spülte hektisch ihre Tasse aus.
»Ich dachte, ich könnte dir vielleicht ein paar Fragen stellen«, sagte Frau Bengtsson, wühlte neben sich in der Luft und stellte fest, dass sie ihren Notizblock vergessen hatte.
»Aber sicher.« Rakel stand mit dem Rücken zu Frau Bengtsson vor der Spüle. Dann drehte sie sich plötzlich um und schnappte Frau Bengtssons Tasse, obwohl sie noch halb voll war. »Nur jetzt passt es gerade schlecht. Ich muss gleich wieder fort. Zum Friseur. Ich habe die Nase gestrichen voll von dem blöden Haarreif. Aber was machen Sie heute Abend?«
»Nichts Besonderes. Bin daheim.«
»Prima! Kommen Sie rüber, wenn Sie Ihren Mann gefüttert haben und alles, dann können wir uns unterhalten. Ich habe morgen frei, bringen Sie eine Flasche Wein mit. Sie … äh, ich habe gerade nichts im Haus.« Dann schob sie Frau Bengtsson auf den Korridor.
»Ja, in Ordnung. Hört sich nett an.«
»Na, dann bis später.« Die Tür flog ins Schloss, und Frau Bengtsson bemerkte entgeistert, dass sie draußen stand. Eine halbe Sekunde später ging die Tür wieder auf. »Übrigens, ist Ihnen schon mal aufgefallen, wie toll mein Name zu Tarzan passt?
Me Rakel, you Tarzan.
Me-Rakel, verstehen Sie? Mirakel!« Sie kreischte vor Lachen. »Bis heute Abend.« Die Tür flog erneut zu.
In katatonischem Schockzustand taumelte Frau Bengtsson über die Straße. Wein trinken. Heute Abend. Mit Rakel. Rakel Mirakel.
Hinter der Tür spie der Mädchenteufel in den Korridor. Das musste er besser in den Griff bekommen. Mit Rakels Handrücken wischte er sich die Kotze aus dem Mundwinkel und grinste breit. »Ich werde dich auf den rechten Weg führen, mein kleines Lamm«, murmelte er. Dann schlug er die Gelben Seiten auf. Locken wollte er haben, wenn er einmal ein Weibsbild war!
»Aber das ist doch völlig in Ordnung«, meinte Herr Bengtsson zwischen zwei sahnestrotzenden Gulaschbissen, »wenn sie ein wenig aus sich herausgeht. Du sagst doch immer, wie süß sie eigentlich ist und dass sie sich nur ein bisschen aufraffen müsste … oder wie nennst du das immer?«
»Aufpeppen«, antwortete sie.
»Ja, genau, aufpeppen. Und jetzt hat sie es getan, und dann passt es dir plötzlich nicht mehr?«
»Du verstehst nicht, was ich meine. Es kam mir vor, als wäre sie jemand
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