Frau des Windes - Roman
Funkgerät, das Nachrichten sendet und empfängt. Manche Wellen erreichen ihn nicht, vielleicht empfangen Verrückte ja nur eine einzige Frequenz.«
»Du musst aus dir rausgehen, und vor allem brauchst du Beschäftigung. Sieh uns an, wir haben hier alle eine Verantwortung. Im Garten bellen die Hunde, und der Vogel singt in seinem Käfig.«
Leonora gefällt das altmodische Englisch von Miguel, dem sechzehnjährigen Sohn der Escobedos, der ihr vom Wohnzimmer ins Esszimmer folgt und ihr Fragen stellt.
»Ich bin dein Psychiater«, sagt Leonora zu ihm.
» Since brevity is the soul of wit, and tediousness the limbs and outward flourishes, I will be brief. You are mad, good madam «, antwortet Miguel.
Das Landgut der Escobedos ist ein wahres Paradies. Auch Catherine Yarrow ist dort, und auch sie malt. Sie beschließt, einen der Stallburschen zu porträtieren, und bittet ihn, sich im Hof nackt auszuziehen, was er gekränkt ablehnt. Und Manuels Mutter schreit Zeter und Mordio.
»Das kreative Potential deiner Landsleute ist unerschöpflich«, sagt Manuel zu Elsie.
»Du hast recht, wir erleben goldene Zeiten. Wir werden Die Irre von Chaillot von Jean Giraudoux aufführen.«
»Und wer spielt die Irre?«
»Ich. Leonora bastelt mir einen Hut mit einem Storch darauf und entwirft die Kostüme. Remedios näht sie für uns. Sie ist eine erstklassige Schneiderin!«
Elsie lädt Leonora nach Acapulco ein, ins ›El Papagayo‹, das einzige Hotel in der Bucht. Am Strand vor dem Hotel legt sie sich in den Sand und liest. Mit ihren schwarzen, lockigen Haaren zieht sie die Blicke der Urlauber auf sich. »Schau mal, eine Sirene.« Der Engländer Edward James, der wie einige andere auf sie zu geht, um sie kennenzulernen, findet sie verkrampft und hochnäsig. Mit ihrem Esprit und ihren kritischen Bemerkungen hebt sie sich freilich vom Gros der Gäste ab. Doch auch Elsie hat eine scharfe Zunge und liebt es, über die Förmlichkeit der Briten zu spotten. Leonora gibt arrogante Antworten, und wenn die anderen sich unterhalten, vertieft sie sich in ihr Buch. Fragt man sie etwas, reagiert sie einsilbig.
»Du solltest mal sehen, was sie malt«, sagt Elsie zu Edward.
»Diese hochnäsige Engländerin malt?«
»Ja, und zwar sehr gut.«
Beim Essen setzt Edward James sich neben Leonora, und Miguel Escobeda erkundigt sich nach seiner Sammlung.
»Eine Sammlung ist das nicht wirklich«, erwidert James, »ich habe nur ein paar jungen, unbekannten Malern Bilder abgekauft. Einige von ihnen sind zwar inzwischen berühmt, aber anfangs brauchten sie vor allem finanzielle Hilfe und moralische Unterstützung.«
Leonora stellt fest, dass nicht nur die Nationalität sie mit Edward James verbindet, sondern auch die Gepflogenheiten privilegierter Gesellschaftskreise.
Elsies Persönlichkeit versetzt Leonora zurück in ihre Jugendjahre, erinnert sie an Ursula Goldfinger, Stella Snead und Catherine Yarrow. Elsie gehört zu den Frauen, die ihr Leben im Griff haben. Leonora geht ihr zuweilen auf die Nerven, dann legt die unerschütterliche Catherine, die ihrer Freundin während des Krieges zur Seite gestanden hat, ein Wort für sie ein.
»Als verkappte Psychoanalytikerin komme ich mit jeder Situation zurecht. In Saint-Martin d’Ardèche habe ich sie beruhigt und in Madrid besänftigt, ich kann sie auch hier in Mexiko stabilisieren.«
Nach der Therapiestunde sagt Catherine zu Elsie:
»Leonora wird ausziehen, da Chiki endlich eine feste Wohnung gefunden hat.«
»Glaubst du, dass Weisz mit einer Frau ihres Temperaments und Talents zurechtkommt?«, fragt Elsie besorgt.
»Ihm wird wohl nichts anderes übrigbleiben, Leonora ist schwanger.«
Abends nimmt Leonora Elsie beiseite.
»Ich bekomme ein Kind«, verrät sie ihr.
»Keine Bange, das wird dir guttun, ich habe ja auch zwei.«
Eine Liebe, die die Sonne bewegt …
»Schwanger siehst du wunderschön aus«, sagt Remedios und lächelt.
Leonora hat keine Ahnung, was auf sie zukommt. Chiki ebenso wenig. Sorgenvoll schauen sie einander an.
»Ich hatte nicht vor, Kinder zu kriegen.«
»Jetzt kriegst du eins. Was wäre dir denn lieber, Junge oder Mädchen?«, fragt Kati.
»Am liebsten würde ich mir eins malen. Was soll das sein, ein Kind? Was macht man mit einem Kind?«
»Du warst doch selbst mal ein kleines Mädchen, oder?«
»Nein, ich war ein Pony, dann ein Fohlen, und jetzt bin ich eine Stute.«
»Wohl eher eine Kuh!«, lacht Remedios.
»In der Post lag ein Brief von meiner Mutter. Hoffentlich
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