Frau des Windes - Roman
weiteren Francis Picabia, weil er angeblich noch zu stark dem Kubismus verhaftet ist. Georges Sadoul und Louis Aragon müssen die Gruppe verlassen, weil sie das Verbrechen begangen haben, sich für den Kommunismus zu entscheiden.
Benjamin Péret kommt in die Rue Jacob und verlangt von Max, mit Paul Éluard zu brechen; denn der Befehl lautet, dessen Lyrik zu sabotieren.
»Breton hält sich für den großen Unbestechlichen und terrorisiert uns alle im Namen der surrealistischen Ethik«, antwortet Max ärgerlich. »Éluard ist mein Bruder, seinetwegen bin ich nach Frankreich gekommen, er hat meine ersten Bilder gekauft, ihm habe ich alles zu verdanken. Außerdem ist er ein großer Dichter, im Gegensatz zu Breton.«
»Du wirst ihn also nicht verurteilen?«
»Natürlich nicht!«
Gemeinsam mit Éluard und Man Ray verfasst Max Ernst L’homme qui a perdu son squelette , in dem die drei den Surrealistenführer und seine treuen Gefolgsleute attackieren.
In seinem Zimmer lässt Duchamp sein auf einen runden Hocker montiertes Fahrrad-Rad kreisen. Er glaubt, der Künstler habe keinerlei Grund, sich zu brüsten. Letztendlich entspringe Kunst dem Unbewussten und wer habe das je mit Gewissheit zu definieren vermocht? Distanziert, ironisch, schaut er zu, wie seine Kollegen einander inmitten ihrer Ambitionen, Albträume und Skandale zerfleischen.
Der Kreis der Bewunderer, Verleumder und Kunstsammler rund um Breton besitzt indes magnetische Anziehungskraft, und die Maler sind auf Förderer angewiesen. Einer von ihnen ist Edward James. In der Welt der Kunst hält man sich lieber einen Mäzen als eine Geliebte.
»Ich ertrage Paris nicht mehr«, klagt Max, der von Breton, den Abspaltungen und Verleumdungen die Nase voll hat.
»Wir könnten weggehen«, schlägt Leonora vor.
In Saint-Martin angekommen, mietet Max als Erstes Fahrräder. Leonora genießt es, hinter Max her zu radeln, mit wehendem Haar, das Gesicht im Wind. Das Fahrrad ist die Freiheit. Manchmal wirft Max sein Rad an den Straßenrand, zieht sie mit sich zwischen die Bäume, und dort, abseits der Landstraße, liebt er sie, sein Körper glüht und entfacht den ihren.
Zum zweiten Mal quartieren sie sich bei Alphonsine ein.
»Heute Morgen habe ich in unserem Zimmer wieder eine Spinne gesehen.«
Saint-Martin d’Ardèche
Leonora und Max finden ein altes Bauernhaus aus dem 17. Jahrhundert, der Steinboden, das Steinbett, die Steinwände spenden ihren Körpern neue Energie, die Sonne erhitzt ihre Bäuche. Max erlebt Glück jetzt demütig. Früher pflegte er zu sagen: »Mich haben immer Herausforderungen glücklich gemacht.« Er liebt Leonora mit katzenhafter Zärtlichkeit, kennt jeden Millimeter ihres Körpers, kratzt, leckt und beschnuppert sie, ihr Haar, ihre Haut, ihren Gaumen, ihre Zunge, ihre Tränen.
»Ich habe so großes Glück, dass ich fürchte, es wird etwas Schreckliches passieren«, sagt Leonora.
»Und wenn wir für immer hier blieben?«, schlägt Max vor.
Leonora nimmt einen streunenden Hund auf und eine trächtige Katze, die sieben Junge zur Welt bringt, und versorgt sie, als hätte sie sie selbst geboren. Max beschließt, die Kätzchen in Stein zu meißeln, neben einer Frau mit einem Fisch im Arm.
›Ich will jetzt nur eins: mit Leonora leben, wenn die Welt es mir erlaubt‹, schreibt er seinem Sohn Jimmy.
Die Welt, das sind Marie Berthe Aurenche, die Surrealisten und die unheilvollen Kriegsgerüchte.
›Ich reise in Kürze in die Vereinigten Staaten‹, antwortet Jimmy.
Angesichts des drohenden Krieges planen viele junge Leute, nach Amerika auszuwandern.
Max geht ins Dorf, um Zement und Lehm zu kaufen, unterhält sich mit den Dorfbewohnern und beeindruckt sie, so wie er die Freunde beeindruckt, die ihn besuchen. Da er tadellos Französisch spricht, glauben die Winzer, er sei aus Paris.
Leonora bittet ihre Mutter um Geld, damit sie und Max das von Weinbergen umgebene Haus kaufen können.
»Wir könnten unseren eigenen Wein machen«, schlägt Leonora vor.
Max ist begeistert. »Ja, wir kaufen noch Weinstöcke dazu.«
›Eine Inschrift über der Tür bestätigt, dass das Haus aus dem 17. Jahrhundert stammt‹, schreibt Leonora an Maurie.
Staunend sehen die Bauern einen Bentley vorfahren. Ein Chauffeur steigt aus und hilft einer vornehmen Dame aus dem Wagen. Der Mann holt mehrere Lederkoffer aus dem Kofferraum. Maurie geht zur Haustür, Max verneigt sich zu einem Handkuss. Drei Tage lang gehen sie nicht aus. Abends begleitet Leonora ihre Mutter
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