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Frau des Windes - Roman

Frau des Windes - Roman

Titel: Frau des Windes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Insel Verlag
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Worte verwandeln.«
    Gemeinsam erschaffen sie einen grünen, beunruhigenden geistig-pflanzlichen Mikrokosmos. Ernst malt Ein bisschen Ruhe und mehrere Versionen von Die faszinierende Zypresse . Diese Bäume lassen ihn nicht los. Sie verbinden Himmel und Erde, und ihre Wurzeln graben sich so tief in die Erde, dass sie bis an den Ursprung psychischer Vorstellungen reichen.
    »In einer chinesischen Legende heißt es, wenn man sich Zypressenharz unter die Schuhsohlen schmiere, könne man übers Wasser laufen, ohne unterzugehen.«
    Er erzählt ihr auch, dass er sich im Krieg den Wald als Volk vorgestellt hat und die bombardierten Wälder ihm vorkamen wie geopferte Völker.
    »Du ahnst nicht, wie traurig die Landschaft nach den Kämpfen aussah, Leonora. Da standen die verstümmelten Baumstämme, und nicht einmal dichter Nebel vermochte sie zu verhüllen. Ein umgestürzter Baum ist ein durch menschliche Dummheit gefallener Soldat.«
    Leonora hat das Gefühl, die verwüstete Landschaft, die sie gemeinsam malen, bricht mit allem, was sie bisher gesehen hat.
    Die Zypressen begleiten sie, umschlingen sie mit ihren Armen, und sie ist so schlank und anmutig, dass sie in sie hineinschlüpfen kann. Wenn Leonora losläuft, löst sich die Zypresse neben ihr ebenfalls aus dem Boden und folgt ihr. Wenn sie stehen bleibt, bleibt auch die Zypresse stehen, mit zitternden Zweigen, wie ein atemloser Läufer.
    »Alles, was ich mache, wird automatisch ein Wald«, sagt Max.
    Auf seinen Bildern entsteht eine Naturgeschichte neuer Art: Da wachsen Moose, Flechten, Lianen empor, ihr Anblick hilft gegen seelische Krankheiten, weil man ihre Blätter in sich selbst aufblühen spürt. Weiches Moos überzieht den Raum als sanfter, hartnäckiger Eindringling, der schließlich zur Plage wird.
    Er sei nicht bereit, sich einer Disziplin zu unterwerfen, erklärt Max. Wie stark ist sein inneres Aufbegehren! Mit kräftigen Pinselstrichen hält er seine Wut auf das stumpfe Soldatenleben auf der Leinwand fest. Er war vier Jahre lang berittener Artillerist und erinnert sich noch daran, wie der Feldwebel brüllte: »Unseren Stechschritt nimmt uns keiner!«
    Max wiegt die Natur in den Schlaf, und abends, wenn er müde ist, verlässt er das Haus zum Boules-Spielen mit dem Klempner und dem Schreiner, die im Schatten der Linden auf ihn warten. Unterdessen deckt Leonora den Tisch und entkorkt eine Flasche, damit der Wein beim Essen die gleiche Wärme hat wie ihr Körper.
    Leonora arbeitet von früh bis spät wie eine Besessene, lässt nichts aus. Neben der gemeinsamen Arbeit mit Max posiert sie morgens im Garten für sein Bild Leonora im Morgenlicht , und wenn die Sonne hoch am Himmel steht, flüchten beide sich in den Schatten, und Leonora hilft ihrem Geliebten bei Europa nach dem Regen und Sumpfengel . Max kann machen, was immer ihm einfällt. Leonora will mithalten, schreibt auf ihrer Remington Die ovale Dame , für die Max eine Radierung anfertigt. Sie verfasst Alle Vögel fliegen hoch , während er Die Einkleidung der Braut malt.
    In Leonoras Körper lodert ein Feuer, nie zuvor hat sie etwas Derartiges erlebt.
    »Ist das Liebe?«
    Max antwortet ihr, Liebe entstehe aus dem Verlangen nach einem anderen Menschen und Nietzsche habe gesagt:
    ›Wenn wir lieben, so wollen wir, dass unsere Mängel verborgen bleiben.‹
    »Und was passiert, wenn der andere sie entdeckt?«
    »Dann kommt die Gleichgültigkeit.«
    Leonora wird es nie so ergehen wie Marie Berthe.

Die große indische Schabe
    Das Leben in Saint-Martin d’Ardèche hat auch seine Besonderheiten. Ein Junge mit einer Trommel verkündet, am Abend würden der große, weltberühmte Kafir und sein Medium Olga in einem Zirkuszelt im großen Hof des Hôtel du Centre die Geheimnisse des Universums enthüllen.
    Durch einen Spalt im Zelt schauen Leonora und Max sich das Spektakel an. »Das können wir besser«, sagen sie sich und bitten Alphonsine, sie in ihrem Café auftreten zu lassen. Drusille, die ledige Tochter des Schlossherrn auf dem Berg, soll als dritte Person mitwirken.
    »Wenn einer der Dorfbewohner uns ein Megafon leiht, stellen wir etwas viel Tolleres auf die Beine als diese langweilige Hypnosesitzung. Ich färbe mir die Haare und das Gesicht blau und bin die große indische Schabe, und Leonora wird auf den Tischen tanzen, während ich Wunder vollbringe.«
    »Was für Wunder?«
    »Ich erwecke sie von den Toten. Danach hypnotisiere ich das Publikum. Leonora, weißt du, mit welchen Zaubersprüchen man den

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