Frau des Windes - Roman
Katzenhaare, eigene Haarsträhnen, Pilze und Blumen hinein, und Leonora serviert das Mahl in ihrer weißen Spitzenbluse und mit dem glöckchenbehangenen Fransenschal aus Finis Garderobe. In einer Küchenecke steht der Kartoffelsack. Aus dem Garten holt die Engländerin Salatköpfe, die sie ›meine Salatköpfe‹ nennt, auch die Möhren betrachtet sie als ihre eigenen, am verlockendsten aber findet sie immer wieder die Auberginen.
»Du kannst dir nicht vorstellen, wie es ist, im eigenen Garten Tomaten zu ziehen, sie in zwei Hälften zu schneiden und hineinzubeißen.«
»Wie ein Orgasmus?«, fragt Fini.
Mit den Fingern klaubt Leonora die Erbsen aus ihren Hülsen, putzt Bohnen, Linsen und Walnüsse. Ihre Hände sind nicht nur geschickt, sondern auch weise. Sie laufen hin und her, wie um die Wette, irren sich nie, verletzen sich nicht, wenn sie den grünen Bohnen die Spitze abschneiden oder die Möhren hacken. Manchmal liegt das Messer in Leonoras linker, manchmal in ihrer rechten Hand.
»Niemand schält Kartoffeln so wie du. Wie kommt es, dass du dermaßen geschickt bist?«, fragt André.
»Weil ich beide Gehirnhälften benutze.«
Nie wurde ihre Geschicklichkeit so gerühmt wie jetzt. Harold und Maurie teilten die Meinung der Ordensschwestern, André und Leonor Fini indessen preisen Leonoras Fähigkeiten.
André knackt eine Walnuss.
»So sieht dein Gehirn aus, Leonora.«
»Nein, meins reicht viel weiter, es durchdringt das Himmelsgewölbe.«
»Cartier Bresson erwartet uns in Paris«, trompetet Fini, »aber bevor wir abreisen, muss ich meine Neugier befriedigen. Was ist deine Lieblingsbeschäftigung, Max?«
»Sehen.«
Als die beiden abreisen, malt Max gerade an seiner Windsbraut und vollendet die Einkleidung der Braut . Wieder breitet sich Moos auf der Leinwand aus, jenes dichte Gewächs, in dem Blätter und Nebel derart ineinander verwoben und verwachsen sind, dass winzige Organismen daraus hervorsprießen. Leonora im Morgenlicht pulsiert, das Grün des Bildes ist das Grün der Urzellen, des Lebensbeginns. Zwischen Rebzweigen und Weinblättern steht eine Göttin, neben sich ein Einhorn und einen Minotaurus; sie ist ein Himmelsgeschöpf, Windsbraut, die glücklich scheinen könnte, würde nicht eine dicke Träne den Ärmel ihres Kleides benetzen und ein winziges Skelett vor ihren Augen tanzen.
Die Surrealisten nennen Ernst den ›Vogeloberen‹, also malt Leonora ihn mit einem langen Federumhang, der in einem Fischschwanz endet. Hinter dem Fischvogel erhebt sich ein Eispferd. Auch in ihrer Erzählung Alle Vögel fliegen hoch lässt Leonora einen älteren Mann auftreten, der eine gestreifte Unterhose und einen Federmantel trägt.
Wenn Leonora mit ihren Bildern nicht sagen kann, was sie sagen will, schreibt sie es nieder. Ihr Geliebter ermutigt sie dazu.
»Vielleicht reimt sich Remington auf Carrington, weil dein Vater eine Schreibmaschine war.«
»Er war eine Nein-Maschine: Nein, nein, nein, das darfst du nicht, das kannst du nicht, das sollst du nicht.«
Beharrlich tippt Leonora ihren Text an dem Tisch, von dem Leonor Fini ihre Aquarelle weggeräumt hat.
Agathe, die Protagonistin, empfindet Ekel vor ihrem Ehemann Celestin, der sich langsam in einen Vogel verwandelt, während sie selbst nach und nach verblasst und sich kaum noch im Spiegel erkennen kann. Ihr egozentrischer Mann ignoriert sie. Leonora schreibt: ›Celestin ist hier gewesen; er hat von alldem nichts bemerkt, aber mein Gesicht hat er berührt mit seinen glatten, viel zu glatten Händen.‹ Ja, Max’ Hände sind zu glatt, und manchmal würde Leonora gerne hineinbeißen.
Im Dorfcafé reden die Leute vom Krieg, und Alphonsine ist sehr gereizt.
»Pétain, der Held von Verdun, wird uns schon zu verteidigen wissen, er ist ein großer Stratege.«
Trotz ihres Vertrauens auf die Ligne Maginot stecken die Bauern ängstlich die Köpfe zusammen. Nur Leonora und Max widmen sich weiterhin ihrer Liebe.
»Die beiden schauen nicht über die eigene Nasenspitze hinaus«, sagt Pierre, der ab und zu am Haus vorbeiläuft und sich die Skulpturen anschaut. »Sie modellieren ihre komischen Gestalten und fürchten sich vor nichts.«
»Vor der Niederlage der Republikaner in Spanien habe ich Der Hausengel gemalt«, erinnert sich Max. »Das ist natürlich ein ironischer Titel für eine Art Trampeltier, ein Ungeheuer, das alles, was ihm in den Weg kommt, zerstört und vernichtet: der Nationalsozialismus.«
»Und diese widerliche Echse am Schwanz des
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