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Frau Holle ist tot

Frau Holle ist tot

Titel: Frau Holle ist tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Stark
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erinnerte sich noch gut an die
Örtlichkeiten, an die Gänge und Winkel der Anlage. Basti hingegen hatte das
Kloster noch nie von innen gesehen. Das kam Maries Plänen entgegen.
    Sie gingen ins ehemalige Hospital, wo sich die
Besucherkassen befanden, lösten zwei Eintrittskarten und mieteten nach einer
kurzen Diskussion zwei Audioguides. Die gehörten zu Maries Plan.
    »Ich glaub nicht, dass du dir das alles merken
kannst«, sagte sie spöttisch zu Basti.
    »Doch«, erwiderte der empört. »Ich kann mir alles
merken. Ich kann mir immer alles merken. Weil ich nämlich nichts vergesse.
Wirst schon sehen.«
    Er schien in seiner Ehre herausgefordert zu sein. Gut
so, Basti war beschäftigt.
    Sie hängte sich den CD -Player
um und stülpte die Kopfhörer über die Ohren. Basti machte ihr alles genau nach.
Dann folgten sie den Anweisungen des Sprechers.
    Sie gingen auf den ehemaligen Friedhof der Mönche, der
gar nicht mehr wie ein Friedhof aussah, eher wie ein Erholungspark mit alten
Bäumen und Holzbänken. Der Sprecher erzählte von den Zisterziensern, von
Bernhard von Clairvaux, dem Gründer des Ordens, und von der Legende, nach der
ein wilder Eber über den Kisselbach gesprungen war und dem heiligen Bernhard
auf diese Art und Weise gezeigt hatte, wo er das neue Kloster bauen sollte.
Basti schien sehr konzentriert zuzuhören. Aber hier konnte sie schlecht
abhauen, ohne dass er ihr hinterherrannte.
    Danach gingen sie in den Kreuzgang und ließen sich den
Unterschied zwischen romanischem, gotischem und barockem Baustil erklären. Das
schien Basti weniger zu interessieren. Anschließend lauschten sie den
Erzählungen über fromme Mönche und weniger fromme Schweden, die das Kloster
während des Dreißigjährigen Krieges erobert und ausgeplündert hatten. Basti war
wieder ganz bei der Sache.
    Im Kapitelsaal, einem Raum, dessen Decke mit Blumen
bemalt war und dessen Gewölbe von einer einzigen Säule in der Mitte getragen
wurde, waren Szenen des Films »Der Name der Rose« gedreht worden. Hier hatten
sich die päpstlichen Gesandten und die Bettelmönche darüber gestritten, ob
Jesus die Kleider besaß, die er am Leib trug, oder ob er sie nicht besaß. Die
hatten damals Sorgen gehabt. In Wirklichkeit hatten sich hier die Mönche
getroffen, um die wichtigen Angelegenheiten ihrer Gemeinschaft zu besprechen.
    Sie musste hier weg.
    Sie besichtigten den Speisesaal der Mönche, der mit
seinen holzgetäfelten Wänden gemütlich und fast ein bisschen protzig wirkte,
gingen in den Kreuzgang zurück und von dort in die Klostergasse, den Hof
zwischen Kloster und Konversenbau. Der Sprecher erklärte den Unterschied
zwischen den Mönchen und den Konversen oder Laienbrüdern. Soweit Marie das
verstand, war der Unterschied der, dass die Mönche viel beten und wenig
arbeiten und die Konversen viel arbeiten und wenig beten mussten. Die Konversen
machten die Arbeit und hatten nichts zu bestimmen, bei den Mönchen war es
umgekehrt. Außerdem mussten die Konversen die abgetragenen Stiefel der Mönche
tragen, weswegen sie irgendwann den Abt des Klosters ermordeten. Oder so ähnlich.
    Basti schien dieser Teil der Erzählung zu gefallen.
    Maries Aufmerksamkeit galt allerdings etwas ganz
anderem: Der Portikus, das Tor, das die Klostergasse zum hinteren Teil der
Anlage öffnete, dorthin, wo es Richtung Kisselbachtal ging, war durch ein Gitter
verschlossen. Also musste sie die Führung brav weiter mitmachen.
    Sie besichtigten den ehemaligen Speisesaal der
Laienbrüder, in dem große alte Keltern aufgestellt waren. Anschließend ging es
in die Basilika, ein riesiger Steinbau mit mächtigen Säulen und großen
Fenstern. Die Kirche war ganz leer.
    An den Seitenwänden der Basilika lehnten die
verwitterten Tumbendeckel der Äbte und reichen Gönner des Klosters.
Tumbendeckel hatte man früher die Grabplatten genannt. Der akustische Führer
lotste sie zu einer besonders gut erhaltenen Grabplatte. Die war
praktischerweise zweifach benutzt worden, wie eine Wendejacke. Zuerst für den
Gründungsabt des Klosters. Später hatte man ihm den Tumbendeckel wieder
weggenommen, umgedreht und auf der Rückseite das Bildnis eines reichen Ehepaars
eingemeißelt, das dem Orden einen großen Batzen Geld hatte zukommen lassen. So
hatten die geschäftstüchtigen Mönche am Ende frisches Geld und die Edlen von
Allendorf eine Grabstätte im Kloster, mit Blick auf den Gründungsabt.
    Basti schien aufmerksam der Stimme des Klosterführers
zu folgen. Offensichtlich nahm er Marie

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