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Frau Holle ist tot

Frau Holle ist tot

Titel: Frau Holle ist tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Stark
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gar nicht mehr wahr. Eigentlich war die
Geschichte von der doppelten Grabplatte ganz lustig, aber Marie beschäftigte
etwas anderes. Die hintere Tür der Basilika, die nach draußen führte und die
bei ihrem Besuch vor einem Jahr offen gestanden hatte, war mit einem
Vorhängeschloss gesichert. Vielleicht musste sie doch eine Szene machen, andere
Leute um Hilfe bitten und sich von der Polizei zurück zu ihren sogenannten
Eltern bringen lassen.
    Sie gingen nach vorn zum Chor der Basilika und
bestaunten das Grabmal eines Mainzer Bischofs namens Gerlach, der seine Stadt
in Schutt und Asche hatte legen lassen, und kamen dann zur Grabplatte von
Eberhard von Katzenelnbogen.
    Der hatte das Zollrecht auf dem Rhein besessen und die
Mönche vom Zoll befreit, weswegen sie ihren Wein besonders günstig in Köln
verkaufen konnten. Dafür hatte er ein Grab im Kloster bekommen, was sich
besonders günstig auf die Unterbringung im Paradies auswirken sollte.
Jedenfalls erzählten das die Mönche damals den Leuten.
    Basti lauschte ganz versunken, kein Wunder bei einem
Märchenfreak wie ihm. Der einzige Unterschied zwischen seinen und den
Geschichten der Mönche war, dass in Bastis Märchen am Ende immer die Guten gewannen.
    Jetzt forderte die Stimme aus dem CD -Player die Besucher auf, ins Seitenschiff der
Basilika zurückzugehen und weitere Tumbendeckel zu bewundern.
    Basti tat, wie ihm befohlen. Marie blieb stehen.
Langsam und leise ging sie ein paar Schritte zurück. Im Querschiff der Kirche,
zwischen den Denkmälern für den wüsten Bischof und den Graf mit den
Zollrechten, führte eine steinerne Treppe hoch in den Schlafsaal der Mönche.
    Das war die Gelegenheit. Basti würde sie nicht hören.
    Sie drehte sich um und rannte die Treppe hoch. Kam in
einen riesigen lang gezogenen Saal mit roten Säulen und weißen Wänden. Sprang
die Treppe in der Mitte des Saals wieder hinunter. Landete im Kreuzgang. Wandte
sich nach rechts. Spurtete durch den düsteren Cabinetkeller mit den alten Holzfässern
und erreichte den Ausgangspunkt ihres Rundgangs. Nach links ging es in den
hinteren Teil des Klosters. Sie rannte zwischen Klausurgebäude und Hospital zum
Schlosserbau, dann nach links und wieder nach rechts.
    Keuchend erreichte sie das große Holztor in der
hinteren Klostermauer. Sie schaute nach hinten, Basti war nirgends zu sehen.
Entweder hatte er ihr Verschwinden noch gar nicht bemerkt und studierte immer
noch die Grabplatten toter Äbte, oder er irrte irgendwo in der Anlage umher,
auf der Suche nach seiner verlorenen Königstochter.
    Sie öffnete die kleine eingelassene Tür in dem Holztor
und schloss sie hinter sich wieder.
    Sie war frei!
    Der Platz hinter der Mauer war mit den verwitterten
und bemoosten Grabsteinen, die unter den Bäumen standen, ein bisschen
unheimlich. Hier hatten sie früher die Insassen der alten Irrenanstalt
begraben, hatte die Klosterführerin im vergangenen Jahr erzählt, und hier war
vor einigen Jahren die Leiche einer jungen Frau gefunden worden.
    Marie entledigte sich des Audioguides und warf ihn
hinter einen Grabstein.
    Sie rannte weiter. Sie wollte nicht, dass Basti sie im
letzten Moment noch fand. Erst als sie den Gaisgarten erreichte, verlangsamte
sie ihren Schritt. Basti war nicht wieder aufgetaucht.
    Jetzt war es nicht mehr weit bis zu Annika.
    ***
    Mayfeld scannte alle Berichte ein, die ihm in
Papierform vorlagen, und kopierte sie zusammen mit den elektronischen Dateien,
die sie im Zuge der Ermittlungen sichergestellt hatten, auf einen USB -Stick. Am Wochenende wollte er das ganze Material
noch einmal in Ruhe durchsehen. Diesen Fall würde er zu Ende führen, ganz egal,
was Lackauf dem Polizeipräsidenten erzählen würde.
    Dann schrieb er missmutig den Bericht für den
Staatsanwalt. Das Problem mit Lackauf war, dass es ihm immer um Macht und
Rechthaben ging. Ihm blieb gar nichts anderes übrig, als auf seiner Meinung zu
beharren, um am Ende als Gewinner dazustehen. Für vernünftige Polizeiarbeit war
so ein Staatsanwalt ein Alptraum. Auch, weil man aufpassen musste, nicht ins
selbe Fahrwasser zu geraten. Damit musste sich Mayfeld herumschlagen, seit er
Lackauf kannte, aber nun war die Sache eskaliert.
    Politische Unbotmäßigkeit konnte der Staatsanwalt noch
weniger ertragen als fachlichen Widerspruch. Es konnte tatsächlich sein, dass
die Polizeiführung ihm den Fall entzog, weil es politisch opportun erschien.
Offiziell natürlich nur aus Fürsorge, um ihn aus der Schusslinie zu nehmen.
    Bei diesen

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